Spender – manipulierbar oder mündig?

von Robert Exner

Robert Exner Robert Exner ist selbstständiger Texter und Fundraisingexperte © Robert Exner

Keine Frage, es gibt manipulative Kommunikation. Wenn Sie schon mal am Telefon von einem neuen Mobilfunktarif oder den Vorzügen eines anderen Stromanbieters überzeugt werden sollten, dann wissen Sie, was ich meine. Hartgesottenen Vertrieblern sagt man nach, sie würden selbst ein entschiedenes NEIN ihres Gegenüber ignorieren und als Abkürzung für „noch ein Impuls notwendig“ umdeuten.

Auch bei Spenden sammelnden Organisationen gibt es wohl solche, die mit hoch emotionalen, schockierenden oder drängenden Botschaften am Telefon oder per Mailing zum Geldgeben auffordern. Darum soll es hier nicht gehen, denn diese Art der Kommunikation hat für mich nichts mit echtem Fundraising zu tun: Wer so auftritt, will den schnellen Euro und keine dauerhafte Beziehung zu seinen Spendern.

Vertrauen und Respekt wachsen nicht auf Manipulation. Das wissen seriöse Organisationen ebenso wie seriöse Dienstleister und Agenturen, die Fundraising betreiben. Und trotzdem gibt es Familienmitglieder, Medien oder andere, die auch etablierten Organisationen vorwerfen, Angeschriebene oder Angerufene seien zum Spenden gedrängt oder überredet worden.

Organisationen sollten dann selbstverständlich erst einmal diesem Vorwurf nachgehen und die internen Abläufe klären. Das setzt eine gute Dokumentation der Prozesse voraus. Dass zuweilen einvernehmliche Kommunikation misslingt, trotz guten Willens, erklärt Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun damit, dass jede Mitteilung oder Nachricht vier Seiten hat. Nämlich: Sachinformation, Appell, Beziehungsseite und Selbstauskunft.

Heißt es im Mailing beispielsweise „25 Euro helfen, die medizinische Versorgung zu sichern“, dann ist die reine Sachinformation klar zu identifizieren. Der Appell kann sein: „Spenden Sie 25 Euro!“ Die Beziehungsseite kann sein: „25 Euro, das ist doch nicht viel. Überleg mal, wie oft du 25 Euro für weniger Wichtiges ausgibst“. Es kann aber auch ganz anders gemeint sein: „25 Euro, ich weiß, da musst du erst mal schauen, ob du die erübrigen kannst.“ Auf der Selbstauskunftsebene könnte der Sender sagen: „Mir ist eine medizinische Versorgung wichtig.“

Kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass Sender auf allen vier Ebenen ihre Mitteilung absenden und kaum beeinflussen können, auf welcher der vier Ebenen der Empfänger die Nachricht wahrnimmt. Sind sie nicht identisch, hat das schnell Missverständnisse zur Folge.

Die Empfänger im Blick

Ich halte es für wichtig, nicht nur die Sender, sondern auch die Empfänger von Spendenmailings und Anrufen im Blick zu haben: Wenn wir Fundraising als eine wahrhaftige Kommunikation verstehen, dann heißt das, unser Gegenüber als mündige Partner zu sehen.

Was ist damit gemeint? Bei allen Angeschriebenen können wir annehmen, dass sie über reichlich Alltagserfahrungen mit Mailings und (Spenden)-Werbung verfügen. Es ist ihre bewusste Entscheidung, einen Brief zu öffnen, ihn zu lesen. Ebenso entscheiden sie frei, ob sie eine Organisation unterstützen möchten oder eben nicht. Ähnliches gilt fürs Telefongespräch, auch wenn da die Hemmung größer sein mag, den freundlich Anrufenden mit einem Nein abzuweisen.

Gerade weil viele inzwischen Spendenmailings unterschiedlichster Organisationen erhalten, ist jede Spende eine bewusste Entscheidung für eine Organisation. Es mangelt den Angeschriebenen bzw. Angerufenen nicht an Alternativen.

Und noch etwas halte ich für bedenkenswert, wenn Dritte den Vorwurf der Manipulation äußern: Welches Bild von Spendern möchte jemand zeichnen, der sie als manipulierbar oder leicht beeinflussbar darstellt? Unter Fürsprache für Förderer oder Verbraucher verstehe ich etwas Anderes.

Fragen Sie Ihre Spender

Anders verhält es sich, wenn ein Spender selbst den Eindruck hat, manipuliert worden zu sein. Oberstes Ziel sollte Einvernehmlichkeit sein. Wohl wissend, dass nicht immer davon auszugehen ist, dass beide Seiten tatsächlich auf derselben Ebene miteinander gesprochen haben. Diese kommunikativen Fallstricke müssen Organisationen kennen und außerdem sollten sie immer Stornierungsmöglichkeiten anbieten.

Wie schafft man größere Klarheit? Spenden sammelnde Organisationen könnten ihre Spender direkt befragen. Sich offen und unbefangen erkundigen, ob die Art der Kontaktaufnahme und -pflege die Richtige ist, ob die Sprachwahl und Bildsprache angemessen sind, was sich die Angeschriebenen wünschen. Neben Erkenntnisgewinn ist Spenderbindung ein positiver Nebeneffekt einer solchen Befragung.

Machen Sie sich ein Bild

Zum Handwerkszeug guter Texter gehört es, sich ihre Dialoggruppe möglichst genau vorzustellen, sich ein Bild von denen zu machen, an die man sich wendet, vielleicht sogar ein geeignetes Foto davon hinzustellen. Für eine positive und gelingende Kommunikation ist es wohl das Beste, die Mündigkeit seiner Mitmenschen vorauszusetzen – im Fundraising genauso wie bei anderen Gelegenheiten.

 

Robert Exner ist seit 2004 selbstständig mit seinem Büro „fundwort“ für Text, PR und Fundraising. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundwort.de

 

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