Stiftungen in der Ertragsfalle

MüllerleileKolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ... © Dr. Christoph Müllerleile

Eigentlich habe ich nichts gegen Stiftungen. Ich war angestellter Fundraiser und Geschäftsführer von Stiftungen, Auslandsmitarbeiter einer Nennstiftung und ehrenamtlicher Vorsitzender eines Stiftungsrats. Ich habe selbst für Stiftungen gespendet, aber nie in den Vermögensstock. Warum, habe ich mich gefragt, soll ich Geld stiften, wenn sein Ertrag den guten Zwecken erst im Laufe von zwanzig und dreißig Jahren in der von mir beabsichtigten Höhe zugutekommt. Nach den heutigen Zinserträgen vielleicht erst in hundert Jahren oder überhaupt nicht mehr.

Stiftungen sind für die Ewigkeit, hieß es früher einmal, als noch niemand von Null- oder Strafzinsen sprach. Das Stiftungsvermögen sollte mündelsicher angelegt sein. Lukrative Wertpapieranlagen mit beträchtlichem Risiko verbieten sich. In der Folge erzielen viele Stiftungen mit beträchtlichem Vermögen kaum Erträge, die über der Inflationsrate liegen. Dass Stiftungen dennoch gute Zwecke fördern können, liegt an Einnahmen aus Grundvermögen und Firmenbeteiligungen, ebenso aus Spenden, die nicht in den Vermögensstock fließen.

Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen gab es in Deutschland Ende 2018 22.743 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Vor 18 Jahren waren es noch halb so viele. 2018 stieg die Stiftungszahl um 2,1 Prozent. Laut Bundesverband erzielen 40 Prozent der Stiftungen mit ihrer Vermögensanlage nach Abzug aller Kosten eine Rendite unterhalb der Inflationsgrenze. Viele Stiftungen können ihre Satzungszwecke kaum erfüllen. Wenn keine Zinswende kommt, und danach sieht es nicht aus, droht Geldvernichtung in großem Stil.

Viele Stifter sind immer noch stolz auf ihr wohltätiges Werk. Gerne treten sie in den Medien als lebenslange Mäzene auf. Dass einige dieses Image nur durch kurzfristig verwendbare Spenden bewahren können, steht auf einem anderen Blatt. Kleinere Stiftungen wackeln auch deshalb, weil die überaus aktiven Gründer sich nicht rechtzeitig um die Kontinuität ihres Werks kümmern. Nur wenige wollen auf Dauer ehrenamtlich in deren Schuhe schlüpfen, und Geld für Hauptamtliche ist nicht vorgesehen. Die Entscheidung, unter das Dach von Stifterverbänden zu schlüpfen oder mit anderen Stiftungen zu fusionieren, kommt zu spät oder scheitert an eigenwilligen Vorbehalten der Stiftungsaufsicht.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen drängt auf eine Reform des Stiftungsrechts und fordert mehr Rechtssicherheit durch bundeseinheitliche Vorschriften, mehr Flexibilität für notleidende Stiftungen durch Umwandlung in Verbrauchsstiftungen, Erleichterung bei der Zusammenlegung mit anderen Stiftungen und bei der Anpassung von Satzungszwecken durch den Stifter.

Für Fundraiserinnen und Fundraiser aber gilt, von der Werbung um Zustiftungen abzusehen, wenn keine Aussicht auf Erträge oberhalb der Inflationsgrenze besteht. Es ist besser, das Stiftungsvermögen klein zu halten, auf Spenden und Schenkungen zu setzen und dafür den immer noch guten Klang eines Stiftungsnamens zu nutzen.

 

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de
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