Susanne Wohmann, Teamleiterin Fundraising von Amnesty International, antwortet

Susanne WohmannAmnesty International-Fundraiserin Susanne Wohmann ist von der Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen sehr bewegt. © Susanne WohmannWenn Sie 100.000 Euro frei zur Verfügung hätten, wen würden Sie unterstützen und in welchem Bereich?

Susanne Wohmann: Ich war und werde wahrscheinlich immer eine „Humanitäre“ sein, das heißt mein Herz schlägt vor allem für Menschen. Bildung, Gesundheit und Menschenrecht sind mir dabei die wichtigsten Themen. Ich stecke das Geld also in solche NGOs, die diese Ziele in ihrer Satzung verankert haben. Des Weiteren sind mir Werte wie Glaubwürdigkeit, Demokratie und Solidarität sehr wichtig. Auch hier würde ich mir NGOs aussuchen, die diese Ansprüche nach innen und nach außen bestmöglich erfüllen.

Welche herausragende Fundraising-Kampagne/-Initiative hat Sie in den letzten Jahren besonders beeindruckt? Warum?

Wohmann: Als Kampagne beeindruckt hat mich „Rechts gegen Rechts – Der unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands“. Am 15. November 2014 hatte die Aktion „Rechts-gegen-Rechts“ einen alljährlich im oberfränkischen Wunsiedel stattfindenden Neonazi-Aufmarsch in einen Spendenlauf verwandelt. Für jeden Meter, den die Nazis hinter sich ließen, spendeten WunsiedelerInnen und viele weitere Anti-FaschistInnen je 10 Euro an die Organisation „EXIT-Deutschland“. Über 10.000 Euro kamen zusammen. „EXIT-Deutschland“ hilft Neonazis beim Ausstieg aus der rechten Szene.

Ganz besonders bewegt aber hat mich im Sommer 2015 die unglaubliche Hilfsbereitschaft der nicht-verfassten Zivilgesellschaft gegenüber Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten und in Deutschland Schutz suchen. Für mich ein historischer Moment, in dem das Hilfe-Primat der NGOs von Privatpersonen in breitem Ausmaß aufgehoben wurde. Bemerkenswert daran war für mich, dass dies nicht etwa aus Kritik an diesem Primat geschah, sondern weil die Hilfewelle so gewaltig und flächenwirksam war, dass NGOs mit ihren Angeboten kaum hinterherkamen. Es hat sich gezeigt, dass wir als Profis die Bereitschaft der Menschen, den Fremden im eigenen Land zu helfen, deutlich unterschätzt hatten. Leider fehlt uns im weiteren Krisen-Vortrieb die Zeit, nun auch die Folgen genauer zu analysieren und Schlüsse daraus zu ziehen.

Womit sollten sich Fundraiser Ihrer Meinung nach noch intensiver beschäftigen?

Wohmann: Mit dem gestalterischen Moment des Spendens. Selbst dem Fundraising gegenüber aufgeschlossene NGOs mit gut besetzten und entwickelten Fundraising-Abteilungen sehen und kommunizieren das Spenden immer noch vor allem als final-delegierenden Akt. Nur GroßspenderInnen wird ein gewisses aktives Gestaltungsmoment zugesprochen, und selbst hier schwankt die „Aufnahme­gebühr“ für die professionelle Mitgestaltung der Welt von Verein zu Verein erheblich. Wenn wir aber das Spenden nicht als das Ende einer Entscheidungsmatrix unserer UnterstützerInnen sähen, sondern als deren Anfang, den wir bisher nur noch nicht in der Lage (oder Willens?) waren weiterzuentwickeln, dann ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, die Welt wirklich zu verändern.

Welche Zukunftstrends sehen Sie?

Wohmann: Ich glaube, dass die Sehnsucht der Menschen nach echten Erlebnissen gegenüber virtuellen wieder zunehmen wird. Dennoch haben beide Ansätze ihre Berechtigung und ihre Anhängerschaft. NGOs, die beide Welten anbieten und künftig sogar vernetzen können, werden ihre Massenbasis nicht verlieren und damit ihr langfristiges Überleben sichern. Noch aber sind die Unterstützerwelten von NGOs wie zum Beispiel dem Deutschen Roten Kreuz oder Tierschutzbund einerseits und Attack oder Campact andererseits grundsätzlich verschieden. Erstere profitieren als „konservativ Etablierte“ von tradierten Lebensweisen. Letztere profitieren als „early adapters“ von der digitalen Revolution. UnterstützerInnen werden langfristig beide Ansätze einfordern.

Gibt es eine Veröffentlichung, die Sie Fundraisern empfehlen würden?

Wohmann: Immer wieder: Heinz Erhardt „Noch´n Gedicht“. Als Fundraiserinnen und Fundraiser kommen wir mit schwierigen und oft traurigen Lebensthemen zusammen. Es ist wichtig, dass wir uns davon nicht anstecken lassen. FundraiserInnen sollten zugewandt, offen und positiv handeln. Heinz Erhardt macht es uns vor. Sein Humor baut auf Wortspiele und verdrehte Redewendungen, bekennt sich zu Vorbildern wie Erich Kästner, Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz und ist geprägt von radikaler Menschenliebe und Lebensweisheit. Diese Parameter: Humor, Liebe und Weisheit, sind die einzigen Quellen positiver Energie, die wir immer in uns selbst finden können. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als FundraiserInnen mit diesem Rüstzeug alles schaffen.

Wie lautet Ihr persönliches Fundraising-Motto?

Wohmann: Ganz klar:
„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“

 

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