Unklare Erfolgsbilanz bei Kinderpatenschaften

Dr. Christoph MüllerleileKolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ...
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Von Dr. Christoph Müllerleile

Die inhaltliche Diskussion um Kinderpatenschaften, die in Deutschland noch vor Jahren hohe Wogen schlug, ist inzwischen deutlich abgeebbt. Auch die größten Kritiker mussten anerkennen, dass durch Kinderpatenschaften nicht mehr einzelne Kinder in Entwicklungsländern reich und privilegiert gemacht werden, sondern die gesammelten Mittel jeweils einem ganzen Umfeld zugutekommen. Natürlich gibt es die Kritiker immer noch, gerade unter Konkurrenten, die sich vor Jahren auf Ablehnung von Einzelpatenschaften festgelegt haben und von ihrem Standpunkt nicht mehr herunterkommen.

Insgesamt sind Kinderpatenschaften ein Erfolgsmodell. Mittlerweile gibt es kaum einen Ort in Deutschland, in dem nicht eine oder gleich mehrere Organisationen direkte Hilfe in Entwicklungsländern leisten und zur Finanzierung dabei ganz selbstverständlich auch nach dem Mittel von personenbezogenen Patenschaften greifen. Hinzu kommt die große Zahl von Projektpatenschaften und individuellen Stipendien für bestimmte Ausbildungen. Begriffe wie „Hilfe die ankommt“, „Direkte Hilfe“ und „konkrete Hilfe vor Ort“ sind Akquiseargumente und Namensbestandteile geworden.

Bei Kinderpatenschaften geht es den großen Vorreitern ähnlich wie den großen Non-Profit-Organisationen in anderen Bereichen: Sie sind Beispielgeber erfolgreicher Spendengewinnung, werden aber früher oder später von anderen kopiert und stoßen am Ende selbst an ihre Grenzen. Plan International Deutschland ist mit 320.124 Patenschaften (Stand 30. Juni 2016) die erfolgreichste unter den vergleichbaren Kinderpatenschaften-Organisationen in Deutschland, verzeichnet jedoch im Vergleich zu den sprunghaften Anstiegen der Vergangenheit nur noch geringe Zuwächse. 2016 gewann Plan gegenüber dem Vorjahr netto noch 3.209 neue Patinnen und Paten dazu, also 1 %. Glücklicherweise blieb die Kündigungsquote mit 5,4 % um 0,8 Prozentpunkte geringer als im Vorjahr. Aber der Aufwand für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zur Erhaltung des Status Quo ist enorm.

World Vision gibt im Jahresbericht für 2016 an, in Deutschland „über 171.000 Paten und Spender“ zu verfügen, ohne dabei zu differenzieren. Die Patenschaftsbeiträge bewegten sich „auf konstantem Niveau“. Allerdings zeigt die Bilanz, dass die Einnahmen aus Kinderpatenschaften 2016 gegenüber dem Vorjahr um fast eine Million € gesunken sind.
Die Kindernothilfe spricht in ihrem Jahresbericht 2016 von 75.000 Paten. Einer Erhöhung des monatlichen Beitrags von 31 auf 39 € hätten 62,3 % der angeschriebenen 50.000 Paten zugestimmt. Die Erhöhung soll Mehreinnahmen von 3,4 Millionen € pro Jahr bringen. 2016 kamen durch Patenschaften 36,756 Millionen € zusammen. Wie viele von den 75.000 Paten jedoch die Erhöhung letztlich mitmachen werden, bleibt offen.

Hart getroffen hat der Wettbewerb den kleineren ChildFund Deutschland in Nürtingen, dessen 11.711 Paten 14.153 Kinder unterstützen. Die 4,99 Millionen € aus diesen Patenschaften machen 61 % der Gesamteinnahmen der Organisation aus. Doch die Zahl der Patenschaften sei „erneut rückläufig“. Gegenüber 2015 verlor die Organisation netto mehr als 600 Paten und konnte dadurch fast 600 Kinder weniger unterstützen. „Hier macht sich neben dem zunehmenden Wettbewerb auf dem Spendenmarkt, dem wir mit unseren Mitteln nur bedingt begegnen können, auch die gesellschaftliche Tendenz zu weniger Verbindlichkeit bemerkbar,“ mutmaßt die Organisation. Als kleines Hilfswerk könne ChildFund einen Aufwand, wie ihn die Konkurrenz betreibe, nicht rechtfertigen und halte es für geboten, in der Patenwerbung zurückhaltend und sparsam zu agieren. Schon jetzt kämen die meisten Patenschaften durch persönliche Empfehlung zustande.

Noch keine Jahresberichte für 2016 haben die Großen der Branche, SOS-Kinderdorf und SOS-Kinderdörfer (weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland) vorgelegt. Allerdings sind ihre Kinderpatenschafts-Konzepte mit denen der oben genannten Organisationen auch nur bedingt zu vergleichen, denn sie beziehen sich ausschließlich auf Patenschaften für Kinder und Jugendliche, die bereits in SOS-Kinderdörfern oder anderen SOS-Einrichtungen leben, und sind dadurch eher als personenbezogene Dauerspenden zu bewerten.

Die Kinderpatenschafts-Organisationen rühmen sich zu Recht der großen Transparenz ihrer Berichte. Es wäre aber gut, wenn sie wenigstens folgende Angaben enthielten: Anzahl der Paten, Anzahl der Patenkinder, Höhe der Einnahmen aus Patenschaften und Höhe der Kündigungsquote, und zwar jeweils im Vergleich zum Vorjahr. Nur mit vergleichbaren Angaben lassen sich echte Trends zwischen vergleichbaren Organisationen abbilden.
 

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de
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