Urteil zur Gemeinnützigkeit: Viele Männer- und Frauen-Vereine bangen um die Existenz

Von Roland Schellwald


Handelt es sich um Diskriminierung, wenn ein Verein die Mitgliedschaft vom Geschlecht abhängig macht? Kann ein reiner Männer- oder ein reiner Frauenverein überhaupt gemeinnützig sein? Mit diesen Fragen hat sich der Bundesfinanzhof beschäftigt und entschieden, dass ein Verein nicht gemeinnützig sein kann, wenn er ein Geschlecht – und damit einen großen Teil der Allgemeinheit – ausschließt.

SchützeDas Urteil trifft viele Schützenvereine hart, bei denen derzeit nur
Männer Mitglieder werden konnten. Foto:  © Fotolia
„Das Urteil betrifft alle Vereine, die Frauen oder Männer als Mitglieder ausschließen oder sie nicht am Vereinszweck teilhaben lassen“, stellt Johannes Fein, Rechtsanwalt bei der Frankfurter Kanzlei Winheller, klar. Und kann für viele Vereine gravierende Folgen haben. Sie müssen um ihre Gemeinnützigkeit bangen.

Den Stein ins Rollen brachte eine Freimaurerloge, die traditionell nur Männer aufnimmt. Genauso wie die meisten Männergesangsvereine, viele Schützenbruderschaften und andere Vereine. Auf der anderen Seite gibt es beispielsweise auch Frauenchöre oder Frauenhäuser, die die Aufnahme von männlichen Mitgliedern verweigern. Weil die Freimaurer keine Frauen aufnehmen, entzog ihnen das Finanzamt die Gemeinnützigkeit.

Die Behörde begründete dies mit der Satzung der Loge. Ziele seien darin unter anderem die Förderung christlicher Religiosität, die allgemeine Menschenliebe und die Hebung der Sittlichkeit. Mit dem Ausschluss von Frauen von der Mitgliedschaft werde die Allgemeinheit nicht gefördert, argumentierte das Finanzamt. Dagegen hatte die Loge geklagt – und verloren.

Gemeinnützigkeits-Verlust könnte für viele Vereine das Aus bedeuten

FrauenchorMüssen in Frauenchören demnächst auch Männer mitsingen?   Foto:  © Fotolia Gemeinnützigkeit hat große Vorteile: Sie bringt nicht nur Erleichterungen bei der Körperschafts- und Umsatzsteuer mit sich. Ein gemeinnütziger Verein darf vor allem auch Bescheinigungen ausstellen, die Förderer in ihrer Steuererklärung geltend machen können – ein wichtiges Kriterium für den Spender. Spenden sind oft ein bedeutender Posten im Finanzbudget. Damit ist die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für viele Vereine in puncto Eigenfinanzierung (über-)lebenswichtig. Diese Privilegien aberkannt zu bekommen, könnte das Aus für viele Vereine bedeuten, befürchten Steuerexperten.

Inzwischen sind einige betroffene Vereine bereits auf die Idee gekommen, ihre Satzung einfach zu ändern, so dass sie geschlechtsneutral formuliert ist – um danach wie bisher fortzufahren. Schließlich gibt es keinen Aufnahmezwang für neue Mitglieder.

RA Johannes FeinRechtsanwalt Johannes Fein meint, es müsse im Einzelfall überprüft werden, ob es
sachliche Gründe gibt, ein Geschlecht auszuschließen.     Foto:  © Winheller
Rechtsanwalt Johannes Fein von Winheller sieht darin keine Lösung: „Eine Satzungsänderung verspricht nur bedingten Erfolg, da es für die Gemeinnützigkeit auch auf die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins ankommt“, stellt der Rechtsanwalt fest und fährt fort:  „Verstößt der Verein im Rahmen seiner tatsächlichen Geschäftsführung gegen das Gebot der Gleichbehandlung, indem er einen Teil der Allgemeinheit ohne sachlichen Grund ausschließt, so hilft es nicht, wenn sich der Verein durch seine Satzung formal den Anschein gibt, niemanden auszuschließen.“

Schummeln geht früher oder später schief

Der Jurist warnt davor, vermeintlich andere Gründe als das Geschlecht vorzuschieben, um Anträge auf Mitgliedschaft abzulehnen – obwohl intern allen klar ist, dass keine Frauen beziehungsweise Männer aufgenommen werden sollen. „Dies geht früher oder später schief oder wird aufgedeckt. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Finanzämter bei den in Betracht kommenden Vereinen nun ganz genau hinschauen werden“, ist der Jurist sicher.

Vereine, die nur Männer oder nur Frauen aufnehmen wollen, sollten im Einzelfall überprüfen lassen, ob es einen sachlichen Grund gibt, das eine oder andere Geschlecht auszuschließen. „Ist dies der Fall, kann dieser Grund in die Satzung aufgenommen werden. Das Gemeinnützigkeitsrecht sieht es vor, dass die Vereine beim Finanzamt einen Antrag auf Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit stellen können“, macht Rechtsanwalt Fein klar. Sind die Ungleichbehandlung und der sachliche Grund dafür in der Satzung dokumentiert, können die Vereine dadurch Rechtssicherheit erlangen, dass die Satzung mit den Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts übereinstimmt.

Welcher Grund rechtfertigt die Anerkennung?

Darüber, was als sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung durch den Ausschluss von Frauen oder Männern ausreicht, werden in den nächsten Jahren sicherlich noch einige Diskussionen mit den Finanzämtern zu führen sein. Oder sogar die Gerichte angerufen werden müssen. Der Hinweis auf die geschichtliche Tradition reicht nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes allerdings nicht mehr aus, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

Zur Urteilsbegründung gelangen Sie hier unter Eingabe des Urteilsdatums (17.5.2017), des Aktenzeichens (Az.: V R 52/15) und des Veröffentlichungsdatums (2.8.2017).
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