Wenn das Scheitern zu teuer wird

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile © Dr. Christoph Müllerleile

 

Die Einweihung der Elbphilharmonie in Hamburg erinnert daran, dass es Philanthropen waren, die das Großprojekt angestoßen haben, aber letztlich nicht hätten bezahlen können. Seit jeher ist es so, dass große Projekte von wenigen begonnen und anfinanziert werden. Die öffentliche Hand kann dann nicht umhin oder lässt sich gerne verführen, solche Leuchttürme zu übernehmen. Und wenn die öffentliche Hand erst einmal dran ist wie 2007 nach einstimmigem Beschluss der Hamburger Bürgerschaft, gibt es auch finanziell kein Halten mehr. Aus dem philanthropischen Startgeld wird dann etwas nur noch staatlich finanzierbares Großes.

2005 hatte das Hamburger Ehepaar Hannelore und Helmut Greve mit der Ankündigung einer 30 Millionen Euro-Spende für ein Konzerthaus auf dem ehemaligen Kakaospeicher im Hafen einen wahren Boom an philanthropischem Bürgersinn ausgelöst. Der Versandhandelsunternehmer Michael Otto und die Hermann-Reemtsma-Stiftung steuerten je weitere 10 Millionen Euro bei. Hunderte Groß- und Kleinspender folgten. Die im selben Jahr gegründete Stiftung Elbphilharmonie hatte schon nach einem halben Jahr mehr als 64 Millionen zusammen, Ende 2009 weitere fünf Millionen.

Der Umbau des Speichers sollte ursprünglich ganz aus Spenden und dem Verkauf von Luxuswohnungen finanziert werden. 2005 waren es aber dann 114 Millionen, die die Steuerzahler beitragen sollten. Wie man weiß, beträgt der Anteil der öffentlichen Hand heute mehr als 789 Millionen bei Gesamtkosten von 866 Millionen. Der Spendenanteil blieb fast marginal.

Die „öffentliche Hand“ lässt sich gerne überlisten, wenn philanthropischer Gutsinn einen kostenlosen Zuwachs an Kultur, Bildung und Sozialem verspricht. Städte und Gemeinden sind finanziell notorisch klamm und haben neben den sogenannten Pflichtleistungen, die praktisch 90 Prozent der Etats verschlingen, wenig Spielraum für die Kür. Umso leichter haben es Mäzene und Initiativen, die mit Geld oder Sachspenden winken, Glanz in den kommunalen Pflichtalltag zu bringen. Da werden große Sammlungen an Städte vermacht nebst einem kleinen Beitrag zum Bau eines Museums oder der Villa, in dem die Artefakte bisher glänzten, da kommen Fuß- und Handballvereine dank der finanziellen Unterstützung durch Mäzene plötzlich ganz groß raus; nur das richtige Stadion, die olympiareife Sporthalle fehlen noch; da bekommt die kleine Gemeinde die Möglichkeit, ein großes Fest auszurichten, dank der zu erwartenden Spenden- und Sponsorengelder so gut wie umsonst;  da schenkt das ortsansässige Ehepaar der Kommune ein Fabrikgebäude mit der Vorgabe, dort einen integrativen Kindergarten einzurichten.

Es ist dann an den Beschenkten, die Folgekosten solcher Geschenke gering zu rechnen. Wer ein Geschenk nicht annimmt, überlässt es anderen, verärgert die Schenkwilligen und macht vielleicht deren Lebenswerke zunichte.
Überall im Lande gibt es Geschenke, für die die öffentliche Hand aufzukommen hat. Die Hinterlassenschaften des Adels und Großbürgertums fallen ins Auge, auch die vielen Ruinen, für die sich keine Investoren mehr finden. Ergebnisse heutigen Bürgersinns wie die wiederaufgebaute Frauenkirche in Dresden, das wieder entstehende Berliner Stadtschloss, die schier endlose Zahl von Museen, die aus Privatsammlungen hervorgingen und von der öffentlichen Hand übernommen oder zumindest stark mitfinanziert werden, künden vom fließenden Übergang zwischen öffentlichem und privatem Bereich in unserem Land. Häufig versiegt der Spendenstrom, sobald der Staat übernimmt, oder setzt sich allenfalls als Rinnsal in Form von Fördervereinen oder Förderstiftungen fort.

Das liegt auch daran, dass „der Staat“ andere Preise aufruft als die private Hand. Dafür gibt es viele Beispiele. Als sich eine Bürgerinitiative in meiner Heimatstadt anschickte, eine achtzig Jahre alte, im Freien stehende Mosaiksäule vor dem Verfall zu bewahren, Kostenvoranschläge einholte und das nötige Spendengeld zusammenbrachte, stellte das Landesdenkmalamt das Kunstwerk plötzlich unter Denkmalschutz. Von da an schrieb der zuständige Denkmalpfleger vor, wie die Restaurierung vonstattengehen und welche Fachbetriebe sie ausführen sollten. Nach einem orkanartigen Sturm wurde die Standsicherheit des Bauwerks in Zweifel gezogen. Prompt verdoppelten sich die veranschlagten Kosten. Die Restaurierung dauerte Jahre und wäre beinahe gescheitert, wenn die Kommune, die ursprünglich nichts geben wollte, die Mehrkosten nicht übernommen hätte.

Gut wenn gute Werke teuer werden. Dann dürfen sie nicht scheitern.
 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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