Wie bitte definiert man Fundraising?

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph MüllerleileWie definiert man eigentlich Fundraising? Das ist die Frage, die mir Studierende, die ich hin und wieder betreue, als erste stellen. Denn in der Fachliteratur lesen sie Unterschiedliches, und ein englisches Wort, das nicht zur Umgangssprache gehört, verlangt geradezu nach einer deutschen Übersetzung.

Die Antwort ist für mich eigentlich ganz einfach: Fundraising ist die Beschaffung von Mitteln für gute Zwecke. Daraus ergibt sich die Frage, was gute Zwecke sind. Gut sind Zwecke dann, wenn sie von einem relevanten Teil der Gesellschaft als der Allgemeinheit dienend anerkannt werden.

Dabei unterliegt der Begriff „relevant“ einem Ermessensspielraum. Relevante Teile der Gesellschaft können in einer Kleinstadt 50 Multiplikatoren, in der bundesdeutschen Gesellschaft 10.000, weltweit eine Million sein.

Zwecke, die der Gemeinschaft dienen, auch als gemeinnützige Zwecke bezeichnet, unterliegen der Interpretation der jeweiligen Zeit und Gesellschaft und ändern ihre Relevanz. In Zeiten von Krieg und Spannungen gewinnen Zwecke, die das Überleben sichern, Vorrang, in Zeiten relativen Friedens haben auch Zwecke wie Förderung der Kultur, Schutz der Umwelt, Bewahrung des Friedens und Sorge um die Entwicklung in anderen Teilen der Welt eine Chance, als nützlich wahrgenommen zu werden.

Die fürs Fundraising geeigneten Zwecke lediglich auf die steuerbegünstigten zu reduzieren, wie das selbst in Lehrbüchern geschieht, ist viel zu kurz gegriffen. Steuerliche Relevanz wird von der Gesetzgebung diktiert, also von staatlichen Kräften, die nach Gesichtspunkten wie politischer Opportunität, Kostenersparnis, politischer Korrektheit und – wenn man beispielsweise an die Parteienfinanzierung denkt – deutlichem Eigeninteresse entscheiden. Lange Zeit hat der deutsche Gesetzgeber Zuwendungen für bürgerschaftliches Engagement, Hilfe für Kriminalitätsopfer, gemeinschaftlichen Modellbau und Förderung der Brauchtumspflege nicht als der Allgemeinheit dienend eingestuft, zumindest nicht als steuerbegünstigte Fördermöglichkeit. In Österreich gab es Steuerbegünstigung bis vor kurzem fast nur für die Förderung sozialer Zwecke.

Wenn man zurückschaut auf die guten Zwecke der Vergangenheit, so sind in bestimmten Epochen die Vertreibung der Heiden aus Jerusalem, die Finanzierung päpstlicher Prachtentfaltung, die Aufrüstung der Kriegsflotte für den Weltkrieg und die Versorgung von Frontkämpfern mit Winterkleidung als gute Zwecke eingestuft und mit der Befreiung von Sündenstrafen, öffentlichem Ansehen und Eintopfsuppe belohnt worden.

Eine der wissenschaftlichen Definitionen von Fundraising hält „die konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Ressourcenbereitsteller“ für ein wichtiges Merkmal. Richtig! Aber was ist mit den Ressourcenempfängern? Fundraising hat sich auch an denen zu orientieren, deren ideelle Ziele, deren Ansehen in der Öffentlichkeit und deren Würde durch Fundraising-Methoden nicht beschädigt werden dürfen.

Wie gut, dass nur noch wenige in Deutschland, Österreich oder der Schweiz das Fundraising allein auf das freiwillige Spenden von Geld, Sachen und Zeit reduzieren. Öffentliche Zuwendungen, Geldauflagen, unfreiwillige Zeitspenden, Sponsoring und der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen sind Fundraising. In den für uns vorbildlichen Ländern USA und Großbritannien wurden Unterschiede zwischen Fundraising und Sponsoring meines Wissens nie gemacht.

Einigen wir uns doch: Fundraising ist die Beschaffung von Mitteln für Zwecke, die von einem relevanten Teil der Gesellschaft als gemeinnützig anerkannt sind. Alles Weitere wie ethisches, wissenschaftliches, professionelles, soziales, kulturelles, gesundheitliches etc. Fundraising kann man in Nebensätzen dazugeben.

Dabei brauchen wir nicht zwischen gemeinnützigen, mildtätigen, kirchlichen und parteipolitischen Zwecken zu unterscheiden, die lediglich steuerlichen Gründen dienen. Alles ist gemeinnützig. Die Förderung von Mildtätigkeit ist nicht nur aufopferungsvolle Nächstenliebe am Einzelnen, sondern hat hohe gesamtgesellschaftliche Relevanz. Wer den Nächsten seinem Schicksal überlässt, kann im Notfall nicht auf Hilfe rechnen. Allgemeine Hilfsbereitschaft ist ein wichtiger Teil unserer Grundsicherung.

Ähnlich geht es mit der Förderung von Religionsgemeinschaften, auch solcher, die nicht öffentlich-rechtlich anerkannt sind. Sie sind Teil der Befriedigung unserer spirituellen, sozialen, und kulturellen Bedürfnisse.

Über die Bedeutung klarer politischer Strukturen, wie sie sich in Parteien und Wählervereinigungen manifestieren, wird zwar immer wieder gestritten. Ihre gesellschaftliche Relevanz steht aber außer Frage.

Im Moment arbeiten Dutzende von Fundraising-Expertinnen und -Experten an einer komplett neuen Version des Fundraising-Handbuchs der Fundraising-Akademie. Soweit ich sehe, werden hier wie schon in den Vorgängerauflagen alle Aspekte der Mittelbeschaffung berücksichtigt. Und alles heißt letztlich Fundraising.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de

 

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