„Wir generieren 40 bis 45 Prozent unserer Spenden online“

Von Claudia Wohlert

Jedes Jahr nutzen immer mehr Deutsche das Internet. 79,1 Prozent waren es 2014, das ist eine Steigerung um 1,4 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Ob per Smartphone oder am PC, der Einzelne ist durchschnittlich an 5,9 Tagen wöchentlich online, täglich etwa 166 Minuten.

Dieser Trend macht auch vor Spendern nicht halt. Inzwischen sind 63 Prozent im Internet präsent. Würde man die über 70-Jährigen herausrechnen, läge der Anteil sogar bei 80 Prozent laut einer Studie von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und dem Deutschen Spendenrat. Und trotzdem erhalten 43 Prozent der aktiven Organisationen nur ca. zwei Prozent ihrer Gesamtspenden über einen Online-Kanal.

Dass es aber auch anders geht, zeigt das Beispiel PETA Deutschland e.V. Bei einem Spendenvolumen von ca. vier Millionen Euro jährlich, erhält die Organisation 40 bis 45 Prozent, sprich ca. zwei Millionen Euro, über ihre Online-Kanäle. Insbesondere Dauerspenden, die ihren Ursprung in einer Online-Spende hatten, sind davon betroffen.

Welche Gründe zu diesem anderen Spendenverhalten führen, erklärt Dr. Matthias Lehmann, Manager of Direct Response Fundraising bei PETA Deutschland e.V. im Gespräch mit Claudia Wohlert.

Dr. Matthias Lehmann (PETA)Setzt auf Social Media und E-Mails: Dr. Matthias Lehmann, Manager of Direct Response Fundraising bei PETA Deutschland e.V., freut sich über den hohen Anteil an Online-Spenden.Fundraising-Echo: Herr Dr. Lehmann, bei den meisten Organisationen liegt der prozentuale Anteil der Internet-Spenden zwischen zwei und zehn Prozent. Wie erklären Sie Ihren Erfolg?

Dr. Lehmann: Seit acht Jahren ist PETA Deutschland e.V. im Online-Fundraising tätig. Der Bereich wurde strategisch und mit einer langfristigen Ausrichtung aufgebaut. Mittlerweile ernten wir die Früchte dieser intensiven Vorbereitungsphase. Wir haben frühzeitig angefangen, Geld zu investieren. Geld um Personal zu bezahlen und um die entsprechende Technik zu kaufen. Es war uns klar, dass gut ausgebildete Mitarbeiter die Online-Aktionen planen und ausführen und nicht ein Praktikant es nebenbei macht. Außerdem gehen wir davon aus, dass ein reines Spendenformular nicht ausreicht. Ohne entsprechende Kommunikation können keine Spenden generiert werden. Wir kommunizieren sehr viel mit Interessenten und Spendern via Social Media und speziell mit E-Mails. Dieser Mix hat dazu geführt, dass wir 40 bis 45 Prozent unserer Spenden online generieren.

Fundraising-Echo: Betrachten wir einmal Ihren E-Mail-Versand. Wie viele E-Mails verschicken Sie in welcher Zeit?

Dr. Lehmann: Wir verschicken drei E-Mails im Monat, im Dezember sind es mindestens vier. Die erste E-Mail ist ein klassischer E-Mail-Newsletter. Der Empfänger wird über alles Neue informiert und darüber, welche Highlights auf der Webseite zu finden sind. Schwerpunkt dieses Online-Kanals liegt in der Information des Spenders, nicht im Generieren von Spenden. In der Monatsmitte verschicken wir eine E-Mail mit einem Spendenaufruf. Dieser Spendenaufruf hat meistens das Thema des Direct-Mailings.

Eine Spenden-E-Mail ist bei uns monothematisch, ähnlich einem Direct-Mailing. Beim gedruckten Mailing fragt man auch nicht nach 5.000 verschiedenen Sachen, sondern ein Thema wird in den Mittelpunkt gestellt. Schon bei der Herstellung der Spenden-E-Mail stellen wir sicher, dass sie auf den verschiedenen Endgeräten richtig angezeigt wird. Ist eine Spende eingegangen, erhält der Spender als dritte Mail eine Erfolgs-Mail. In ihr wird berichtet, was die Spende bewirkt hat. In der dritten Mail können aber auch Kampagnen-Updates stehen. Hat ein Spenden-Mail-Empfänger in dem Monat nicht gespendet, verschicken wir erneut einen Spendenaufruf.

Fundraising-Echo: Welchen Stellenwert haben die E-Mails in Ihrem Online-Mix?

Dr. Lehmann: Die E-Mails sind sehr wichtig, weil der Spender in ihnen so direkt und persönlich angesprochen wird wie im Mailing. Eigene Tests haben gezeigt, dass die E-Mails mit persönlicher Ansprache gut funktionieren. Bei Spenden geht es um Geld und Kontodaten. Da ist eine personalisierte E-Mail vertrauenswürdiger als zum Beispiel die Massenkommunikation via Facebook, wo man eine Nachricht rausbringt und alle lesen dasselbe.

Fundraising-Echo: Gibt es Besonderheiten, die bei der Einführung von Online-Fundraising beachtet werden müssen?

Dr. Lehmann: Es sind genau dieselben Dinge zu beachten, wie bei jeder anderen Einführung. Zuerst überlegt man sich, welchen Menschen man wann was erzählen will. Nur weil es online ist und damit natürlich eine technische Seite hat, darf man die Kommunikation nicht vergessen. Ein gutes Spendenformular auf der Homepage heißt noch lange nicht, dass Menschen darauf gehen und spenden. Niemand würde einen Blanko-Überweisungsträger ohne einen Brief oder etwas anderes verschicken. Im Online-Bereich herrschte lange die Meinung vor, dass die Spender die NGOs finden. Doch das passiert nicht ohne begleitende Kommunikation. Die Organisation muss vorab genau wissen, was sie will, danach handeln und die Kosten tragen.

Fundraising-Echo: Sie sprachen gerade von der begleitenden Kommunikation. Worauf muss man dabei speziell achten?

Dr. Lehmann: In Bezug auf den Spender ist der erste Punkt in der Kommunikation, dass die Menschen auf mich aufmerksam werden und mich finden. Woher sollen sie wissen, dass ich etwas zu erzählen habe. Das ist die Vorstufe. Sie ist im Online-Fundraising verbunden mit technischen Einrichtungen wie Suchmaschinen-Optimierung, Google AdWords und Google Grants. Hat man damit entsprechend E-Mail-Adressen generiert, überlegt sich die Organisation in einem zweiten Schritt, wann sie was dem möglichen Spender erzählen möchte. Es ist genau wie beim Direct-Mailing. Wann sage ich danke? Wann will ich eine Spende? Wann will ich informieren? Die Spender verhalten sich im Online-Bereich nicht prinzipiell anders. Wenn ich eine vernünftige nette Frage stelle, dann kommen Spenden. Wenn ich das nicht mache, kommen keine.

Fundraising-Echo: Betrachten wir einmal die unterschiedlichen Online-Kommunikationskanäle. Durch welche erzielen Sie die beste Spenden-Resonanz?

Dr. Lehmann: Fürs Fundraising erzielen wir auf zwei Kanälen die stärkste Spendenresonanz. Zum einen mit unseren E-Mails und zum anderen ist es die allgemeine Spendenseite auf der Homepage. Bei der Spendenseite können wir momentan noch nicht immer nachvollziehen, wie die Menschen darauf gehen. Wir nehmen an, dass interessante Inhalte auf unserer Homepage die Leute dazu bringen, die Spendenseite aufzurufen. Ziel unserer Online-Kommunikation ist es immer, zum Spenden zu motivieren.

Fundraising-Echo: Wie sieht es mit Dauerspendern im Online-Bereich aus?

Dr. Lehmann: Dort gewinnen wir prozentual gesehen die meisten Dauerspender. Es sind ca. 75 bis 80 Prozent, im Monat ungefähr 200 bis 400. Die E-Mails haben einen großen Anteil an der Dauerspendergewinnung. Die Menschen beobachten uns eine gewisse Zeit. Sie schauen sich die verbreiteten Inhalte genau an. Sie überlegen, ob ihnen die durchgeführten Aktionen gefallen, und auch, ob ihnen die Art gefällt, wie wir mit ihnen kommunizieren. Finden sie das noch nach zwei Monaten gut, scheint die Hemmschwelle relativ gering zu sein, gleich eine Dauerspende einzurichten.

Gegenüber dem Mailing hat diese Form der Kommunikation den Vorteil, dass der Interessierte regelmäßig Informationen erhält. Beim Neuspender-Mailing bekommen die Menschen einen Brief und müssen sich entscheiden, ob sie spenden wollen oder nicht. Online haben sie länger Zeit. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass nach dem ersten Online-Kontakt schnell interessante Inhalte vermittelt werden.

Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass im Online-Bereich viele Entscheidungen schneller und spontaner fallen. Die Online-Dauerspender haben auch eine höhere Stornoquote. Momentan untersuchen wir, ob Online-Spender genauso lange bleiben wie andere Spender.

Fundraising-Echo: Herr Dr. Lehmann, können Sie etwas zu dem Alter und Geschlecht Ihrer Online-Spender sagen?

Dr. Lehmann: Wir haben prinzipiell mehr Spenderinnen, die zwischen 25 bis 35 Jahre alt sind. Die ganz jungen Menschen spenden nicht.

Fundraising-Echo: Zahlen Sie Provisionen an Partner für die Vermittlung? Zum Beispiel an Werbefirmen oder Webseiten-Betreiber? Und wenn ja, wie viel von der Spende kommt bei Ihnen an?

Dr. Lehmann: Provisionen werden vorab in Verträgen festgelegt. Das ist sehr unterschiedlich. Bei einer Online-Werbung verständigt man sich auf einen Cost-per-Click-Preis. Klickt ein User die Werbung an, müssen wir den Klick bezahlen, egal, ob die Person spendet oder nicht. Die Preise variieren von Anbieter zu Anbieter, auch die Jahreszeit spielt eine Rolle und das Thema. Bei Kreditkartenspenden geht prinzipiell die Service-Gebühr ab. Insgesamt liegt die Online-Provision etwa bei fünf bis zehn Prozent. Die Provision fällt bei uns nicht so stark ins Gewicht. Unsere Kosten liegen mehr im Personalbereich und in der Technik. Wir verschicken die E-Mails selbst und nicht über einen Dienstleister. Bei mehreren Hunderttausend bis zu einer Million E-Mails monatlich muss der Server entsprechend leistungsfähig sein. Aber insgesamt ist der Online-Bereich für uns ein günstiger Kanal.

Fundraising-Echo: Sehen Sie im Online-Fundraising noch weiteres Potenzial für Ihre Organisation?

Dr. Lehmann: Ja. Wir sehen gewaltiges Potenzial, um noch besser zu werden. Momentan bedienen wir nicht alle Kanäle gleichmäßig gut. Zum Beispiel kann die Online-Werbung ausgebaut werden. Auch im Bereich Dank‑Kultur besteht großes Potenzial, um die Spender länger an uns zu binden. Zudem haben wir noch nicht alle Möglichkeiten des Upgradings genutzt. Und die Kommunikation kann auch noch individueller gestaltet werden.

 

Mit Dr. Matthias Lehmann sprach Claudia Wohlert, textagentur@claudia-wohlert.com, www.claudia-wohlert.com.

 

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