Zukunft gestalten – ehrenamtliches Engagement in Deutschland

Von Claudia Wohlert

Claudia WohlertClaudia WohlertSeit 10 Jahren ist die Anzahl der ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger auf hohem Niveau stabil. Mehr als 23 Millionen Menschen in Deutschland, das sind 36 Prozent der Bevölkerung, üben eine oder mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Durchschnittlich sind die Engagierten seit 10 Jahren in ihrem Amt, 32 Prozent sogar darüber hinaus.
 
Bei diesen Zahlen, ist es da nicht selbstverständlich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin ehrenamtlich einsetzen? Werden Familie und Beruf zukünftig andere Anforderungen an die jungen Menschen stellen? Wird die von jedem Einzelnen verlangte größere Mobilität eine Bindung an eine Organisation über Jahre unmöglich machen? Wie mag die Zukunft aussehen?
 
Gesellschaft und persönliche Ansprüche wandeln sich
 
Die Gesellschaft und die Ansprüche jedes Einzelnen sind einem stetigen Wandel unterworfen. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, erwächst oft aus der eigenen Betroffenheit und aus der Erkenntnis zu sagen, wir müssen eigenständig Verantwortung übernehmen, wenn wir Dinge auf den guten Weg bringen wollen. Das klassische Ehrenamt gerät dabei immer mehr in die Defensive. Zum einen wird von jedem eine höhere Flexibilität im Job erwartet. Außerdem wollen junge Menschen heute mitreden, mitbestimmen, sich nicht mehr wortlos einer Hierarchie unterordnen. In der Bürgergesellschaft findet ein durchgreifender Wandel statt, der durch Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein geprägt ist. Zunehmend gilt der Satz: Wer anpackt, will auch mitbestimmen.
 
Wenn heutzutage eine Organisation junge, dynamische und kreative Menschen gewinnen will, muss sie sich auf diese Menschen einstellen und ihr Angebot verändern. Eine Möglichkeit bestünde darin, dass man auf ständige Mitgliedschaft verzichtet. Es reicht das Engagement für ein Projekt, das klar gekennzeichnet ist durch einen Anfang und ein Ende. Im Anschluss hat der Ehrenamtliche die Wahl: Ich mache weiter in einem anderen Projekt oder höre auf.
 
Das Organisationsprofil schärfen
 
Eine Organisation, die Ehrenamtliche gewinnen möchte, muss sich aber erst fragen: Wofür stehen wir? Was ist unser Selbstverständnis? Was ist unser Profil? Denn die Werbung um Ehrenamtliche ist keine Werbung um jeden Preis. Nur wer überzeugt ist, kann auch andere überzeugen, kann die Bereitschaft wecken, Verantwortung zu übernehmen.
 
Verträge fördern ein gutes Miteinander
 
Die Ehrenamtlichen bringen Erwartungen an die Organisation mit. Sie wollen eine sinnvolle Aufgabe übernehmen und sie wollen ernst genommen werden. Die Kommunikation zwischen den Gremien und den Ehrenamtlichen ist das Entscheidende beim Miteinander. Um spätere Unzufriedenheit und Missverständnisse im Vorfeld möglichst auszusparen, ist es sinnvoll, Zuständigkeitsregelungen vorab zu treffen. Zum einen stellt sich die Frage, ob die oder der Ehrenamtliche die Grundkompetenzen mitbringt. Des Weiteren ist der genaue Einsatzort zu klären. Ist der Engagierte nun Busfahrer oder holt er auch die Kinder ab oder, oder?
 
Ein kleiner Vertrag kann helfen, vorab Klarheit zu schaffen, um späteren Streitigkeiten und Enttäuschungen vorzubeugen. Zusätzlich ist ein struktureller Rahmen, der u.a. festlegt, wer Ansprechpartner bei Problemen ist, unverzichtbar. Auch sollten die Verpflichtungen geklärt werden. Sind sie ähnlich dem der Hauptamtlichen oder kann ich als Ehrenamtlicher zum Beispiel einfach wegbleiben, wenn ich keine Zeit mehr habe? Kleine Verträge helfen außerdem dabei, Verbindlichkeiten für beide Seiten aufzubauen. Denn die oder der Ehrenamtliche muss sich darauf verlassen können, dass er nicht morgen vor die Tür gesetzt wird.
 
Ehrenamtliche verabschieden
 
Eine Organisation zu verlassen, kann unterschiedliche Gründe haben. Soll der Übergang in eine neue Generation geschafft werden, hat man vielleicht schon den 85. Geburtstag des Ehrenamtlichen gemeinsam gefeiert, bedarf es eines großen Feingefühls. Bei jungen Erwachsenen, die sich ortsmäßig verändern, ist ein Zeugnis für den weiteren Berufsweg oft sinnvoll. Bei dem projektbedingten Ende freuen sich die Beteiligten über eine Auszeichnung, ein festliches Essen, bei dem der Vorstand zum Beispiel bedient.
 
Bürgerliches Engagement stärkt die Demokratie
 
Aktive Bürgerschaft ist unbedingt notwendig für eine funktionierende Demokratie. Sie ist unverzichtbar für das Vorankommen unserer Gesellschaft in einem positiven Sinne. Der demographische Wandel wird die Engagement-Landschaft verändern. Schaffen es Vereine und Stiftungen zukünftig, die Ehrenamtlichen von Anfang an ernst zu nehmen, ihnen Mitsprache zu geben und sie einzubeziehen, ist ein starkes Fundament geschaffen. Kommen dann gleichzeitig der Spaß an der Tätigkeit, ein tolles Team und eine Mitgestaltung zusammen, werden sich auch zukünftig Menschen finden, die Freude daran haben, etwas fürs Gemeinwohl zu tun und Verantwortung zu nehmen.

 

Claudia Wohlert, freie Journalistin und Fundraising-Managerin (FA).

 

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