„100 Millionen werden natürlich etwas verändern“

Von Claudia Wohlert

Als im Frühjahr 2016 Susanne Klatten, BMW-Erbin und Unternehmerin, öffentlich bekannt gab, dass sie bis zu 100 Millionen Euro aus ihrem Privatvermögen für gemeinnützige Zwecke spenden will, war die Aufregung im Dritten Sektor groß. Die eigens dafür ins Leben gerufene SKala-Initiative wird rund 100 gemeinnützige Vorhaben und Organisationen in den nächsten Jahren finanziell unterstützen. Zusammen mit der Beratungsfirma Phineo aus Berlin suPhilipp HoelscherDr. Philipp Hoelscher von Phineo wird mit seinen
Mitarbeitern maßgeblich an der Verteilung der
100 Millionen Euro-Spende mitwirken.
Foto: ©PHINEO
cht die Unternehmerin aus den Bereichen Inklusion und Teilhabe, Kompetenz- und Engagementförderung, Brücke zwischen den Generationen und Katastrophenhilfe passgenaue Projekte aus.

Einer der Experten, der Klatten bei Auswahl und Analyse der Projekte zur Seite steht, ist Doktor Philipp Hoelscher. Sein Team wird überwiegend die SKala-Initiative betreuen. Im Gespräch mit Claudia Wohlert erläutert Hoelscher, was interessierte Organisationen wissen sollten.

Fundraising-Echo: Als Sie hörten, Phineo erhält den Auftrag, Spenden-Projekte für Frau Klatten im Wert von 100 Millionen zu suchen, wie haben Sie sich da gefühlt?

Dr. Philipp Hoelscher: Das klang groß und interessant. Es war aber auch klar, dass wir zunächst nicht wussten, wie unsere Aufgabe genau aussieht. Welche Rolle spielen wir dabei? Es war erst einmal abstrakt.

Fundraising-Echo: In der Vergangenheit gab es bisher nur sehr wenige Spenden in dieser Größenordnung. Können Sie bei Phineo auf Erfahrungen bei der Verteilung großer Geldspenden zurückgreifen?

Dr. Philipp Hoelscher: Eine Spende in dieser Höhe ist bisher bei Phineo einzigartig. Wir haben aber Erfahrungen und Kenntnisse, die uns qualifizieren, dieses Projekt gemeinsam mit Frau Klatten umzusetzen. Inzwischen wurden von uns über 800 gemeinnützige Organisationen in 15 verschiedenen Themenfeldern analysiert. Dabei haben wir mit mehr als 180 Fachleuten zusammengearbeitet. Als Beratungshaus kennen wir zudem die Bedürfnisse der Investorinnen und Investoren. Dieses Wissen und Know-how können wir in die gemeinsame Initiative einbringen.

Fundraising-Echo: Hatte Frau Klatten Sie vorab bei der Auswahl ihrer vier SKala-Initiative-Kriterien als Berater zur Seite?

Dr. Philipp Hoelscher: Ja. Es war ein Prozess. Es gab zunächst die Idee einer großen Spende. Die Festlegung der thematischen Schwerpunkte sowie das Verfahren der Umsetzung wurde dann in mehreren Workshops gemeinsam erarbeitet.

Fundraising-Echo: Warum wurden gerade diese Schwerpunkt-Themen gewählt?

Dr. Philipp Hoelscher: Frau Klatten hat sich persönlich dafür entschieden. Phineo hatte verschiedene Themenfelder vorgestellt, die aus unserer Sicht interessant sind. Die Themenfelder weisen unterschiedliche Merkmale auf, zum Beispiel richtet sich der regionale Fokus in einigen Bereichen auf Deutschland, in anderen Bereichen ist er international. Einige Themen sind auf bestimmte Zielgruppen fokussiert, andere wiederum breiter aufgestellt. In manchen Bereichen gibt es viel Fördergeld, in anderen wenig. Phineo hat verschiedene Optionen mit unterschiedlichen Charakteristiken durchgespielt und am Ende waren es vier Themen, die Frau Klatten zugesagt haben.

Fundraising-Echo: Wie viele Mitarbeiter arbeiten bei Phineo an diesem Projekt? Ist überwiegend Ihre Abteilung damit befasst?

Dr. Philipp Hoelscher: Überwiegend machen vier bis fünf Mitarbeitende aus meiner Abteilung das operative tägliche Projekt-Kerngeschäft. Außerdem ist die Geschäftsleitung involviert und zeitweise unterstützen uns Mitarbeiter aus anderen Abteilungen. Aufgrund der Organisationsgröße besitzen wir eine Infrastruktur, bei der es möglich ist, punktuell für eine halbe Stunde auf einen Mitarbeiter aus einer Abteilung zurückzugreifen, wenn wir dort eine bestimmte Kompetenz benötigen. Es muss nicht extra eine Person eingestellt werden. Zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen haben wir zum Beispiel Experten hier im Haus. Wenn in unserem SKala-Team Fragen aufkommen, können wir dort nachfragen: Was sind die Qualitätskriterien für Projekte? Was müssen wir Besonderes beachten?

Fundraising-Echo: Ein Großteil der Organisationen, die auf eine Spende hoffen dürfen, trägt bereits das Phineo-Wirkt-Siegel. Welche kleinen Organisationen ohne Siegel haben trotzdem die Chance auf Förderung?

Susanne KlattenUnternehmerin Susanne Klatten spendet 100 Millionen Euro und lässt sich
von Phineo bei der Verteilung der Spenden beraten.
Foto: ©BMW-Group
Dr. Philipp Hoelscher: Generell haben alle gemeinnützigen Organisationen ohne Wirkt-Siegel eine Chance auf Förderung. Im ersten Jahr der SKala-Initiative sind wir jedoch mit Organisationen gestartet, die das Wirkt-Siegel tragen. Wir kennen die Organisationen gut und haben bereits ihre Qualität geprüft. Das macht es für uns einfacher, zügige Entscheidungen zu treffen. Im Jahr 2017 wird es aber eine Ausschreibung geben, auf die sich Projekte ohne Phineo-Wirkt-Siegel bewerben können. Die Projekte müssen jedoch unsere Förderkriterien erfüllen und zum Beispiel mit ihrem Angebot in einen der Themenbereiche passen und gemeinnützig sein. Details finden Interessierte auf der Webseite der SKala-Initiative.

Fundraising-Echo: Wer sollte sich auf jeden Fall bei Ihnen bewerben?

Dr. Philipp Hoelscher: Wir freuen uns auf Bewerbungen von Organisationen, die ein überzeugendes Konzept vorlegen, wie die vier Förderbereiche vorangetrieben werden können. Dazu gehört, klar benennen zu können, was die Ziele und Zielgruppen sind. Außerdem ist uns wichtig, dass dargelegt wird, welche Wirkung mit dem Projekt bereits erzielt wurde beziehungsweise wie die Wirkungsanalyse bei neuen Projekten verankert ist.

Fundraising-Echo: Wann ist die Frist für die Bewerbung vorbei?

Dr. Hoelscher: Es wird 2017 losgehen. Unterlagen, die bereits eingegangen sind, können nicht bearbeitet werden. Wir werden rechtzeitig darauf aufmerksam machen, so dass jeder die Chance hat, daran teilzunehmen, der da reinpasst und für den das spannend ist. Phineo wird über seine eigenen Kanäle, Webseite, Facebook und Newsletter, darauf aufmerksam machen. Die benötigten Kriterien sind darin detailliert aufgelistet, damit sich die Organisationen nicht zu viel Arbeit machen und auf der anderen Seite auch von unserer Seite das Ganze beherrschbar ist.

Fundraising-Echo: Mit wie viel Unterstützung darf eine Organisation in den vier Jahren rechnen?

Dr. Philipp Hoelscher: Da gibt es keine feste Begrenzung. Wir möchten ein durchdachtes, qualifiziert hochwertiges, wirkungsorientiertes Konzept vorgelegt bekommen, das uns plausibel erscheint. Und wenn dahinter eine Zahl steht, die das auch abbildet, dann kann man immer darüber sprechen. Wir haben da keinen definierten Korridor.

Fundraising-Echo: Legen Sie die Fördersumme für jede einzelne Organisation fest?

Dr. Philipp Hoelscher: Phineo macht Vorschläge und Frau Klatten entscheidet das am Ende.

Fundraising-Echo: Gibt es in der Projekt-Zeit eine Kontrolle durch Phineo?

Dr. Philipp Hoelscher: Jede Organisation, die ins SKala-Programm reinkommt, erhält einen Vertrag, in dem Meilensteine definiert sind, die beschreiben, was bis wann erreicht werden soll. Zusätzlich wird es eine jährliche Berichterstattung geben. Jede von der SKala-Initiative geförderte Organisation wird nach bestimmten Kriterien an Phineo berichten, insbesondere welche Wirkung erzielt wurde.
 
Fundraising-Echo: Sieht sich Frau Klatten alle vorgeschlagenen Projekte vor der Förderungszusage an?

Dr. Philipp Hoelscher: Ja, das ist so vereinbart und so wird es auch gelebt.

Fundraising-Echo: Werden die 100 Millionen Euro Deutschland verändern?

Dr. Philipp Hoelscher: 100 Millionen Euro Spendengeld in fünf Jahren werden natürlich etwas verändern. Aber Deutschland wird kein komplett anderes Land werden. Natürlich versuchen wir mit der SKala-Initiative, gute Dinge anzustoßen und Veränderungen zum Guten zu erzielen. Wir hoffen, dass es Organisationen, die sehr hochwertig arbeiten, die kreative Menschen hinter sich haben, die unternehmerisch und innovativ sind, dass es denen nach fünf Jahren SKala besser gehen wird. Die Initiative SKala steht für gesellschaftliche Veränderung und Phineo tut alles dafür, dass es auch passieren wird.  
 

Dr. Philipp Hoelscher ist seit 2010 bei PHINEO tätig und Mitglied der Geschäftsleitung des Analyse- und Beratungshauses. In dieser Funktion verantwortet er die Analyse- und Forschungstätigkeit von PHINEO sowie die Beratung von vermögenden Einzelpersonen und Stiftungen. Zuvor war der Politologe und Kommunikationswissenschaftler für verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen tätig.

 

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