Der Irrtum mit dem Friendraising

Dr. Christoph MüllerleileKolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ...
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Von Dr. Christoph Müllerleile


Der Begriff Friendraising wird sich in der Fundraising-Praxis nicht durchsetzen. Warum? Das hat uns Kai Fischer kürzlich in einem Interview mit dem Fundraiser-Magazin (6/2016) plausibel erläutert. Die Anhänger des Friendraising unterliegen dem Irrtum, dass das Geben für eine gute Sache zu Freundschaftsbeziehungen zwischen Gebenden und Akquisiteuren führen könnte. Wer jemanden dazu bewegt, Gutes zu tun, sollte das daraus entstehende Verhältnis nicht überbewerten. Wer sich immer wieder einen Neuwagen bei einem bestimmten Verkäufer kauft, möchte sich nicht mit dem Verkäufer befreunden, sondern dessen Know-how für den besten Deal nutzen.

Natürlich kann man sich seinen Beruf schönreden. Marketing- und Vertriebsleute sind die Underdogs ihrer Unternehmen. Wer für den Nonprofit-Sektor Marketing betreibt, kennt seinen Stellenwert. Ohne Marketing und Vertrieb läuft nichts. Auch noch so noble Absichten bringen kein Geld, wenn nicht geworben wird. Diese Erkenntnis ist denen, die das gute Werk dank der von anderen beschafften Mittel vollbringen, nicht immer geläufig. Und es ist ganz legitim, ein wenig „institutional readiness“ einzufordern, also Bereitschaft, professionelles Fundraising zu akzeptieren, damit die Mittelbeschaffung überhaupt Erfolg haben kann.

Zum professionellen Umgang mit Gebenden gehört nicht, Freundschaft zu schließen. Umgekehrt kann unbedachtes Fundraising Freundschaften zerstören. Das gilt besonders für Fundraising-Aktionen, bei denen ehrenamtliche Fundraiserinnen und Fundraiser in ihrem Freundeskreis für Zwecke um Spenden werben sollen, die den Freunden alles andere als vorrangig sind. Was bei gemeinsamem Interesse – zum Beispiel im Turnverein bei der Anschaffung von Trikots für die Jugendmannschaft – bestens funktioniert, weil hier nicht Freundschaften, sondern Vorteile eine Rolle spielen, können die Beziehungen zwischen Freunden ziemlich strapaziert werden, wenn Opfer für Zwecke verlangt werden, die man gar nicht unterstützen möchte, oder wenigstens nicht vorrangig und nicht mit Beträgen, wie sie der Freund vorschlägt. Im Privatleben geht man davon aus, dass beim Geld die Freundschaft aufhört. Die Tauschbeziehung Freundschaft – Geld – Freundschaft funktioniert nur auf absolut freiwilliger Basis. Die Gleichung, wer für meinen Zweck gibt, ist auch mein Freund, führt allenfalls zu Scheinfreundschaften.

Insofern ist es problematisch, einen NPO-Vorstand so zu konstruieren, dass Leute mit den größten Freundeskreisen und besten Beziehungen präferiert werden. Ein besonderer Irrtum ist es, anzunehmen, dass Ruheständler noch Einfluss auf ehemalige Berufskollegen nehmen könnten, deren Freundschaften nur auf der gemeinsamen Berufstätigkeit gründen. In jeder Lebensphase verschwinden Freunde, und es entstehen neue Freundschaften, von denen einige von Dauer, andere vorübergehend sind. Auch Facebook definiert ja temporäre Bekannte schon als „Freunde“.

Wer Freunde um Unterstützung bittet, geht ein persönliches Risiko ein. Stößt die Bitte auf Ablehnung, ist die Freundschaft getrübt. Wird der Bitte widerstrebend Genüge getan, ist zumindest irgendwann mit der Forderung nach einer Gegenleistung zu rechnen. „Do ut des – Ich gebe, damit Du gibst“, lautete ein schon zu Zeiten der Römer bekanntes Tauschprinzip.

Eine Nische fürs Friendraising sind akute Nöte und Anlassspenden. Niemand kann etwas für seinen 50. Geburtstag oder für einen Todesfall in der Familie. Hier gilt es als unschädlich, Freunde und Bekannte um Spenden für eine gute Sache zu bitten, unter Verzicht auf Geschenke und Grabbeigaben. Eine andere Exklave des Friendraising ist das gute eigene Beispiel. Wer mit eigenem Geld eine Stiftung gründet oder eine größere Schenkung tätigt und andere unverbindlich zum Mittun einlädt, kann Erfolg haben. Hier werden keine Freundschaften strapaziert, sondern philanthropische Interessen gebündelt. Bill Gates und Warren Buffett mögen keine engen Freunde sein, aber gemeinsam sind sie eine Großmacht der Philanthropie.

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de
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