Ein junger, kleiner Verein findet seinen Weg

Von Roland Schellwald

Kathrin Kattinger ist die zweite Vorsitzende des Mutter-Kind-Haus e.V. Die 30-Jährige absolviert gerade ihre Ausbildung zur Fundraising-Managerin an der Fundraising Akademie und kümmert sich neben der verwaltungstechnischen Leitung auch um das Fundraising des Vereins, den sie zusammen mit ihrer Mutter Ela Kattinger vor vier Jahren gründete. Im Interview spricht sie mit Roland Schellwald über die Motivation, eine eigene Hilfsorganisation zu gründen und berichtet darüber, welche Freuden, Probleme und Ziele den kleinen, noch recht jungen Verein begleiten.

Fundraising-Echo: Können Sie uns kurz die Aufgaben vom Mutter-Kind-Haus e.V. beschreiben?

Kathrin KattingerZuständig für das Fundraising: Kathrin Kattinger.
© Mutter-Kind-Haus e.V.
Kathrin Kattinger: Unser Verein unterstützt junge Mütter, die aus psychischen und/oder sozialen Gründen mit der alleinigen Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. In einer Wohngruppe im niederbayerischen Arnstorf leben fünf jungen Frauen und deren Kinder in einzelnen Wohnungen. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, ein Esszimmer, ein Wohnzimmer, ein Spielzimmer und einen schönen Garten mit Spielplatz. Jeden Abend wird zusammen gekocht und gegessen, der Tag wird besprochen, wie in einer normalen Familie. Etwas, das die jungen Frauen in ihren vorherigen Leben nie hatten. Wir haben auch noch eine Außenwohnstätte, in der drei Frauen günstigen Wohnraum für sich und ihre Kinder finden und die Hilfe des Vereins in Anspruch nehmen können. Es ist uns wichtig, dass die Mütter die Chance auf einen Arbeits-, Ausbildungs- oder Schulplatz erhalten.

Fundraising-Echo: Wie sieht die Hilfe konkret aus?

Kathrin Kattinger: Die Einrichtung ist 24 Stunden täglich betreut, so dass die jungen Frauen und Kinder ständig einen Ansprechpartner haben. Die Kinder sind bei ihrem Einzug ins Mutter-Kind-Haus oft traumatisiert. Dies drückt sich häufig in einer Verzögerung von Sprache und Motorik sowie in starken Konzentrationsstörungen und aggressiven Wutanfällen aus. Durch individuelle, pädagogische Konzepte werden die Kinder und jungen Mütter so gefördert, dass ihre Defizite ausgeglichen werden und sie einen Weg in ein gefestigtes, gemeinsames Leben finden. Wir bekommen wöchentlich Anfragen von Jugendämtern, weitere Mütter und Kinder aufzunehmen. Aus diesem Grund werden wir im nächsten Jahr eine zweite Wohngruppe eröffnen, für die ich im Moment noch Fördergelder akquiriere.

Fundraising-Echo: Was waren nach der Gründung des Vereins die größten Probleme?

Kathrin Kattinger: Unsere größte Hürde war, alles zu organisieren. Ich hatte gerade meinen BWL-Bachelor abgeschlossen, meine Mutter ist Vollblut-Sozialpädagogin, sprich, für uns war alles Neuland. Nach neun Monaten hatten wir alles geschafft und die ersten Mütter zogen ein. Es war wie bei der Geburt eines richtigen Kindes.

Fundraising-Echo: Wie kam Ihre Mutter eigentlich auf die Idee, den Mutter-Kind-Haus e.V. zu gründen?

Team Mutter-Kind-HausMitarbeiter, ehrenamtliche Helfer, Mütter und Kinder beim Charity-Lauf
© Mutter-Kind-Haus e.V.
Kathrin Kattinger: Meine Mutter begleitete als Sozialpädagogin an Schulen eine 15-jährige Schwangere. Einen Tag nach der Geburt des Kindes entschied das Jugendamt zu Recht, dass das Neugeborene in der Wohnsituation des Mädchens gefährdet sei. In der Kürze der Zeit konnte meine Mutter keine Alternative für Mutter und Kind finden, so dass das Baby in eine Pflegefamilie musste. Sie erfuhr aber, dass es so etwas wie Mutter-Kind-Haus Einrichtungen gibt. So wurde die Idee geboren, in diesem Problemfeld zu helfen. In dem vierjährigen Bestehen des Mutter-Kind-Haus e.V. konnten wir zeigen, dass es auf langfristige Sicht funktioniert, benachteiligte Mütter und Kinder gemeinsam und vollwertig in die Gesellschaft zu integrieren.

Fundraising-Echo: Betreibt Ihr recht kleiner Verein aktiv Fundraising?

Kathrin Kattinger: Ja, ein großes Problem beim Fundraising für eine kleine und junge Organisation wie unsere ist aber, dass ich alle Arbeitsfelder in einer Person vereine. Ich beneide Kollegen, die Spenderlisten anmailen und viele Dauerspender haben. Meine Dauerspender kann ich auf einer Excel-Tabellen-Seite auflisten. Ich höre mit großen Augen zu, wenn sich Kollegen darüber beklagen, dass sie „nur ein Budget von 40.000 Euro“ für das Fundraising bekommen. Wir haben kein Budget dafür. Andererseits bietet diese Situation auch viel Potenzial für Innovationen. Ich kann spontan Entscheidungen treffen, ich muss sie nicht lange besprechen und diskutieren.

Fundraising-Echo: Sind Sie bei der Spendenwerbung komplett auf sich allein gestellt?

Kathrin Kattinger: Es gibt noch einen freiberuflichen Grafiker und einen freiberuflichen Kollegen, die mir helfen, das Online-Fundraising zu verbessern. Und eine sehr kompetente Dame, die mich bei den Verhandlungen mit der Regierung unterstützt. Darüber hinaus bekomme ich Anfragen von Studenten-Gruppen, die für uns Fundraising-Videos drehen wollen.

Fundraising-Echo: Betreiben Sie noch auf anderen Gebieten Fundraising?

Kathrin Kattinger: Ja, ein Beispiel: Als in Simbach am Inn am 1. Juni 2016 von schwerem Hochwasser getroffen war,  hat der Mutter-Kind-Haus e.V. eine Spendenkampagne für die „Hochwasserkinder im Rottal“ initiiert. Innerhalb nur einer Woche konnte ich ein Benefizkonzert organisieren und bekam kostenlose Werbung für die Kampagne, unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, im regionalen Fernsehen und in verschiedenen Radiosendern, bis hin zu Antenne Bayern und Bayern3. So wurde unser Name verbreitet, ohne die Mütter und Kinder des Mutter-Kind-Haus e.V. als Werbefiguren auszunutzen.

Fundraising-Echo: Sie sprechen gerade ein wichtiges Problem an, das viele Hilfsorganisationen beschäftigt. Bilder spielen im Fundraising eine wichtige Rolle, weil dadurch spendenfördernde Emotionen geweckt werden. Andererseits ist auch ein sensibler Umgang damit gefordert. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Kinder Mutter-Kind-HausZwei der betreuten Kinder. © Mutter-Kind-Haus e.V.Kathrin Kattinger: Bei diesem Problem habe ich meinen Weg noch nicht gefunden. Ich weigere mich, Kinder in die Kamera zu halten und ich fühle mich dabei unwohl, unsere Mütter durch Veröffentlichung zu stigmatisieren. Wir tasten uns langsam heran unseren eigenen Weg zu finden, um ethisch richtig zu werben. Generell sind wir immer noch zu schüchtern in unserer öffentlichen Präsenz. In den nächsten Jahren möchte ich dies ändern, vor allem durch die Verbesserung unseres Online- und Medienauftrittes.

Fundraising-Echo: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Kathrin Kattinger: Auf jeden Fall einen Mitstreiter,  der nicht stationär tätig ist, sondern mit mir arbeitet, damit ich die Arbeit mit den Ehrenamtlichen und die Spenderbetreuung ausbauen kann. Ich wünsche mir eine prominente Person, die Lust hat unser Testimonial zu sein. Ich wünsche mir mehr Menschen, die sich für unsere Arbeit begeistern und diese fördern. Ich wünsche mir, dass ich Förderanträge so schreiben kann, dass sie immer durchgehen. Ich wünsche mir, dass ich trotz Absagen nicht aufgebe, weitere Anträge zu schreiben. Und ich wünsche mir noch mehr großartige Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützen eine bessere Fundraiserin zu werden. In zehn Jahren sind wir vielleicht nicht der größte Verein, der sich für Mütter in Not und deren Kinder einsetzt, aber wir werden die meisten Erfolgsgeschichten zu berichten haben – das ist mein Antrieb.

 

Kathrin Kattinger studierte Internationale BWL (BA) in Bamberg und Chile und Kulturmanagement sowie -wissenschaften (MA) in Ludwigsburg. Seit 2012 ist sie 2. Vorsitzende des Mutter-Kind-Haus e.V., dessen verwaltungstechnische Leitung und Fundraiserin. Gerade macht sie ihre Ausbildung zur Fundraising-Managerin an der Fundraising Akademie.
info@mutterkindhaus-verein.de, www.mutterkindhaus-verein.de

 

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