Flüchtlingshilfe: Unbequeme Zeit- und Sachspenden

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph Müllerleile„Ich habe einfach in mir das Gefühl gehabt, ich muss helfen. Bevor ich da vor dem Fernseher weine vor lauter Mitgefühl, habe ich gedacht, ich fahre einfach zum Hauptbahnhof und versuche zu helfen.“ Die junge Frau im „Spiegel online“-Video vom 7. September steht für viele, die Zeit und Sachen spenden wollen. Auf dem Münchner Hauptbahnhof türmen sich Wasserflaschen und Plastiktüten mit Lebensmitteln. Ähnliches wird von Aufnahmelagern berichtet. Tonnen von Kleidern, Hausrat und Kinderspielzeug stapeln sich in Depots, wo sie erst einmal sortiert werden müssen.
 
Viele wollen spontan helfen. Und nichts ist dann demütigender, als abgewiesen zu werden. Nicht alle finden den Weg ins Internet, wo die wichtigsten Fragen zu Hilfemöglichkeiten und geeignetem Sachspenden beantwortet werden, wie etwa auf dem FAQ-Link des Portals www.wie-kann-ich-helfen.info der Journalistin Birte Vogel. Es lässt sich auch für lokale Koordination leicht nachbauen, denn die Blogstruktur kann jede/r leicht übernehmen.
 
Wunderbar leicht zu handhaben ist für Nutzer in Bremen auch das Portal „Gemeinsam in Bremen“, das sich auf Sach- und Zeitspenden für Flüchtlinge konzentriert (www.gemeinsam-in-bremen.de). Angebote und Gesuche können blitzschnell abgegeben und gefunden werden, auch auf dem Smartphone. Hier wird niemand abgewiesen, der etwas tun will.
 
Merkwürdigerweise scheinen nur wenige professionelle Fundraiser/innen erkannt zu haben, welches Rekrutierungspotential hinter der spontanen Hilfsbereitschaft steckt. Konnten die Hilfsangebote bei den Elbe- und Oder-Hochwassern, der Tsunami-Katastrophe oder diversen Taifun-, Hurrikan- und Erdbebenkatastrophen noch erfolgreich in Geldspenden umgewandelt werden, weil die Hilfswilligen schlicht nicht an die Katastrophenorte herankamen, ist das bei der Flüchtlingshilfe ganz anders. Die Flüchtenden sind in Deutschland und Österreich flächendeckend unterwegs; Hilfe ist sozusagen vor der Haustür möglich. Von der Feuerwehr bis zur Caritas können alle bereits etablierten Hilfsorganisationen zeigen, dass Sach- und Zeitspenden willkommen sind, und wer erlebt hat, dass er oder sie wirklich gebraucht wird, spendet später auch dauerhaft Geld und Zeit und lässt sich an die neu gewonnenen Freunde binden.
 
Stattdessen sind es Tausende von Facebook-Gemeinschaften und Blogger, die den Ball aufgenommen und Portale für Spontanhilfe aufgemacht haben. Aus den Erfolgreichsten werden die neuen NGOs, die den Etablierten den Rang ablaufen könnten.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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