Fundraising im Gesundheitswesen

Von Birgit Stumpf

Birgit StumpfBirgit Stumpf beschäftigt sich intensiv mit Fundraising im Gesundheitswesen. © Birgit StumpfDer wirtschaftliche Druck auf Organisationen im Gesundheitswesen steigt. „Fast jedes zweite deutsche Krankenhaus schreibt rote Zahlen. Die wirtschaftliche Situation der deutschen Krankenhäuser ist unverändert sehr kritisch“ – diese dramatischen Zahlen veröffentlichte das „Krankenhaus Barometer“ im November 2014.(1)

Daher werden zusätzliche Finanzierungsquellen in diesem Bereich benötigt und Fundraising bietet sich als eine sinnvolle Alternative an. Durch Fundraising werden strategische wichtige Projekte (mit)finanziert, die im Rahmen der Regelfinanzierung nicht oder nicht so zeitnah umgesetzt werden könnten. Zusätzlich trüge es zur Differenzierung und gezielten Außendarstellung bei und ist dadurch von hoher strategischer Bedeutung.

Der Fundraising-Markt: Zahlen und Fakten im Gesundheitswesen

Der Fundraising-Markt speziell für den Bereich Gesundheitswesen ist groß. Obwohl keine genauen quantitativen Aussagen für alle Bereiche getroffen werden können, ergeben Hochrechnungen eine Größe von mindestens 1,2 Milliarden Euro bezifferbarer Spenden. Diese Zahl beinhaltet die Spenden von Privatpersonen mit 400 Millionen Euro(2)(3) und Zuwendungen von Stiftungen mit ca. 800 Millionen Euro(4). Werden zusätzlich noch Großspenden, Erbschaften, Firmenspenden und öffentliche Gelder berücksichtigt, belaufen sich vorsichtige Schätzungen des Gesamtmarkts auf 1,5 bis über 2 Milliarden Euro.

Auch in Kliniken spiegelt sich dieses Verhältnis wider: Privatspender machen mit 80 Prozent den größten Teil der Spendeneinnahmen aus. Dabei belaufen sich Kleinspenden bis 100 Euro auf 60 Prozent, weitere 20 Prozent entfallen auf Großspenden über 100 Euro. Zuwendungen von Stiftungen und Firmen sowie öffentliche Gelder machen weitere 20 Prozent aus. Fast alle Spenden sind Geldspenden.(5)

Fundraising-Instrumente

In Kliniken wird eine breite Klaviatur an Fundraising-Instrumenten eingesetzt. In der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit sind dies: Neben den Basismaterialien ist das am meisten Erfolg versprechende Instrument das Mailing an existierende und potenzielle Spender. Viele Kliniken gründen zudem Förderstiftungen. Diese sind steuerlich für Großspender und Testamentsspender attraktiv, zugleich haben sie ein exklusiveres Image als Fördervereine und sind damit für die Bindung von Großspendern wichtig. Weiterhin wird Erbschaftsmarketing eingesetzt. Danach folgen die Akquise von privaten Großspendern sowie von Unternehmen als Unterstützer.

Eine weitere wichtige Einnahmequelle ist die Antragstellung auf Förderung bei externen Stiftungen. Die meisten Organisationen haben bereits Benefizveranstaltungen zum Spenden-Sammeln durchgeführt. Bußgeldmarketing, Sammlungen und Mitarbeiter-Spenden werden von den Kliniken nur vereinzelt durchgeführt. Eine Sonderstellung nehmen Capital Campaigns ein: sie werden von den meisten Klinik-Fundraisern als sehr wichtig erachtet, bisher wurden aber nur wenige Kampagnen im Bereich Gesundheitswesen in Deutschland durchgeführt.

Return on Investment (ROI) im Klinik-Fundraising

Professionelle deutsche Klinikfundraiser werben zwischen 0,5 bis 3 Millionen Euro an Spenden- und Sponsoringgeldern ein, in der Spitze auch mehr. Die jährlichen maximalen Kosten einer Fundraising-Abteilung liegen bei ca. 250.000 Euro für hauptsächlich Personalkosten sowie für die Umsetzungskosten der Fundraising-Instrumente und Dienstleistungen. Der Return on Investment bewegt sich also zwischen 2:1 (bei Einnahmen von einer halben Million) und einem Vielfachen davon. Bei Fundraising Einnahmen von 1,5 Millionen Euro beträgt der ROI 6:1. Eine Investition, die sich lohnt! Erfahrungswerte im Fundraising belegen, dass ein Break-Even häufig innerhalb von ca. drei Jahren realistisch ist. Neben den konkreten Fundraising-Einnahmen sollten auch positive nicht-monetäre Aspekte berücksichtigt werden, die durch Fundraising entstehen, wie zum Beispiel der Aufbau von Netzwerken und der Kontakt zu wichtigen Funktionsträgern und Medien.

Einführung von Fundraising im Krankenhaus

Soll ein zentrales Fundraising im eigenen Klinikum eingeführt oder professionalisiert werden, ist Folgendes zu beachten:

  • Strategie:
    • Fundraising sollte als Managementaufgabe für das ganze Krankenhaus verstanden werden, das eine Strategie benötigt und zeitlich abgestufte Ziele, die sich an der Strategie des Gesamtklinikums orientieren.
    • Bereitschaft zum Initial-Investment: Der Aufbau eines professionellen Fundraisings erfordert Investitionen in personelle und finanzielle Ressourcen.
  • Organisation:
    • Damit eine Fundraising-Einheit selbstständig arbeiten kann, müssen Ressourcen, Aufgaben und Kompetenzen eindeutig zugeordnet sein.
    • Die Fundraising-Abteilung sollte sehr weit oben in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sein. Ideal ist eine Stabsstelle direkt an der Unternehmensleitung.
    • An den Schnittstellen zu verwandten Bereichen müssen die Zuständigkeiten geklärt sein, etwa in der Kooperation mit den Abteilungen Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise Marketing, aber auch mit den Führungsgremien und den Chefärzten.
  • Kommunikation:
    • Differenzierung: Krankenhäuser verstehen sich häufig nicht als Wettbewerber, die ein klares Marken-Profil benötigen. Doch spätestens, wenn die benachbarten Krankenhäuser ebenfalls mit dem Fundraising beginnen, ist eine klare Positionierung der eigenen „Marke“ gefragt, um sich von Wettbewerbern abzugrenzen.
    • Die Kernbotschaft und die Förderziele werden sowohl für die klinikexterne als auch für die klinikinterne Kommunikation genutzt, um das Fundraising zielgruppengerecht zu „verkaufen“. Spender und Sponsoren, vor allem Großspender, Firmen und Stiftungen, können somit professioneller angesprochen werden, aber auch Presse und Multiplikatoren sowie Zuweiser. Die Zusammenarbeit mit den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ist bei der Markenentwicklung unverzichtbar.
    • Wichtig ist auch eine klare Kommunikation mit den bereits existierenden, dezentralen Fundraising-Einheiten im Klinikum, zum Beispiel Fördervereinen. Da diese rechtlich selbstständig sind, können sie nicht ohne Weiteres in ein zentrales Fundraising integriert werden. Trotzdem ist es für den Außenauftritt der Klinik wichtig, dass bestimmte Standards aufrecht gehalten werden, zum Beispiel dass Doppelansprachen vermieden werden.

Was die Zukunft bringt

Der Bedarf von Fundraising im Gesundheitswesen wird wegen der immer stärker werdenden wirtschaftlichen Zwänge weiter zunehmen. Das Fundraising wird sich von einer hauptsächlich instrumenten-basierten Fachabteilung zu einer strategischen Leitungsfunktion entwickeln, die in alle strategischen und finanziellen Überlegungen mit einbezogen wird. Damit einher geht der Zwang zur Professionalisierung: Gesamtstrategien der Organisation und Beteiligung des Fundraising am Finanzierungsplan, Evaluierungen der eingesetzten Instrumente und Benchmarks zur Bewertung der eigenen Leistung müssen selbstverständlich werden.

Auch einzelne Instrumente werden sich weiterentwickeln: Beispielsweise werden Gremien wie der Aufsichtsrat verstärkt für Fundraising-Zwecke eingesetzt und Mailings differenzierter evaluiert und zielgruppen-spezifisch ausgerichtet werden. Hinzu kommen klassische Elemente aus der Markenkommunikation: Die Organisationen werden sich verstärkt als „Marke“ und „Dienstleister“ begreifen und mehr auf die Wünsche der Spender eingehen, um bessere Fundraising-Kampagnen zu gestalten. Daher wird auch Marktforschung in Zukunft eine größere Rolle im Fundraising im Gesundheitswesen spielen.

Alle Bereiche des Gesundheitswesens haben noch mit einem großen gesellschaftlichen Unverständnis zu kämpfen: dass Fundraising im Bereich des Gesundheitswesens überhaupt benötigt wird – trotz Krankenkassenbeiträgen und verpflichtenden öffentlichen Investitionen in diesem Bereich. Die Organisationen des Gesundheitswesens müssen daher verstärkt aufzeigen, wie sie durch ihre Projekte einen großen gesellschaftlichen Nutzen und Impact schaffen, der ohne Fundraising nicht möglich wäre.

 
Quellenangaben:

(1) Deutsches Krankenhaus Institut e.V.: Krankenhaus Barometer 2014, S. 107ff, http://www.dki.de/sites/default/files/downloads/krankenhaus_barometer_2014.pdf (2014). Zugegriffen: 15.02.2015

(2) Deutscher Spendenrat e.V. und GfK SE Panel Services Deutschland: Bilanz des Helfens 2011, www.spendenrat.de/download.php?f=685cdc72851623dca5179de52355daeb (2011). Zugegriffen: 08.07.2014

(3) Deutscher Spendenrat e.V. und GfK SE Panel Services Deutschland: Bundespressekonferenz zur Bilanz des Helfens 2011, S.12, Berlin (2011)

(4) Bundesverband deutscher Stiftungen, Pressemitteilung zum StiftungsReport 2014: Gesundheit fördern, http://goo.gl/Ym3hhO (2014). Zugegriffen: 14.02.2015

(5) Stumpf, B., Rong, O., Gauer, J.: Privat statt Staat – Potenzial von Fundraising für deutsche Krankenhäuser, S. 18, Deutscher Fundraising Verband e.V./Roland Berger Strategy Consultants, Berlin (2012)

 

Die Autorin: Birgit Stumpf, Diplom-Betriebswirtin, ist seit über acht Jahren im strategischen und operativen Fundraising vor allem im Gesundheitswesen tätig. Sie ist Gründerin und Leiterin der Fachgruppe Gesundheitswesen des Deutschen Fundraising Verbandes e.V.
Kontakt: stumpf.birgit@t-online.de oder stumpf@fundraisingverband.de.

 

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