Hungerkrise: Reichen die Spenden?

msfÄrzte ohne Grenzen ist in Äthiopien, Südsudan, Nigeria und im Jemen vor Ort, um die schlimmste Not zu lindern.
Foto:  © Siegfried Modala


Von Roland Schellwald

Im April beklagte der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Rudolf Seiters in der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass dringend mehr Spenden zur Bekämpfung der Hungerkrisen in Afrika und im Jemen benötigt werden. „Wenn wir jetzt nicht helfen, droht die größte humanitäre Katastrophe seit Jahrzehnten“, mahnte Seiters. Ärzte ohne Grenzen ist eine der Hilfsorganisationen, die in fast allen betroffenen Ländern seit Jahren Hilfe leisten. Wie stellt sich die Situation vor Ort aus der Sicht von Ärzte ohne Grenzen dar? Reichen die Spenden aus? Darüber sprach das Filantro Fundraising-Echo mit Jirka Wirth, Fundraisingleiter von Ärzte ohne Grenzen.

Fundraising-Echo: Herr Wirth, die Not ist groß, die Hilfsappelle sind eindringlich, aber viele Hilfsorganisationen beklagen, dass die Spenden für die Länder am Horn von Afrika und Jemen nur spärlich fließen. Haben Sie eine Erklärung dafür, woran das liegt?

Jirka Wirth: Ich kenne diese Klagen nicht und mir liegen auch keine Daten vor, die diese Aussage stützen. Wir bei Ärzte ohne Grenzen richten generell keine zielgerichteten Appelle zu einzelnen Krisen, sondern berichten breit und detailliert über unsere weltweiten Hilfsmaßnahmen und bitten in dem Zusammenhang um zweckfreie Spenden.

Fundraising-Echo: In vielen dieser Länder herrschen bewaffnete Konflikte. Meinen Sie, dass sich das negativ auf die Spendenbereitschaft auswirkt?

Jirka WirthJirka Wirth, Fundraisingleiter bei Ärzte ohne Grenzen.
Foto:  © Sebastian Bolesch
Jirka Wirth: Da unsere Hilfsmaßnahmen in so vielen Ländern mit bewaffneten Konflikten stattfinden, zum Beispiel in Syrien, Irak, Afghanistan, Zentralafrikanische Republik, kann ich keinen Zusammenhang erkennen.

Fundraising-Echo: Wie sieht es bei Ihnen aus, nehmen Sie genügend Spenden ein, um effektive Hilfe zu leisten?

Jirka Wirth: Unsere Einnahmen sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gewachsen und decken im Moment den ebenfalls wachsenden Bedarf für unsere weltweiten Hilfsleistungen ab.

Fundraising-Echo: Die größte Not herrscht in Äthiopien, Südsudan, Somalia, Nigeria und Jemen. Wo sind Ärzte ohne Grenzen im Einsatz und welche Art der Hilfe leisten sie dort?

Jirka Wirth: Wenn Sie allein auf die erwähnte Ernährungskrise ansprechen, dann sind aktuell diese fünf Länder am stärksten betroffen. In vier der fünf Länder sind wir seit Jahren mit umfassender Hilfe aktiv: Wir leisten die grundlegendste medizinische Versorgung, behandeln also zum Beispiel Malaria, Lungenentzündungen oder Durchfallerkrankungen. Und wir haben auch Ernährungszentren, in denen wir ambulant und stationär mangelernährte Kinder behandeln. In Somalia haben wir 2013 unsere Arbeit aus Sicherheitsgründen beendet und sind gerade dabei, ein Hilfsprojekt wiederaufzubauen.

Fundraising-Echo: Woran fehlt es derzeit aus Ihrer Sicht am meisten? Was müsste getan werden, um die Menschen vor dem Hungertod zu retten?

Jirka Wirth: Am meisten fehlt es an Frieden – so einfach es klingen mag, aber das wäre eine wichtige Voraussetzung, damit die Menschen wieder in Ruhe ernten und Gesundheitseinrichtungen besuchen könnten. Ansonsten müssen wir natürlich vor allem mangelernährte Kinder behandeln, Hilfsgüter und keimfreies Wasser verteilen, damit Kinder keinen Durchfall bekommen und weiter abnehmen. Was, wo und wie möglich ist, ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich – und kann sich auch schnell verändern. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir Spenden zweckungebunden einwerben. Denn diese können wir flexibel – den wechselnden Bedürfnissen entsprechend – einsetzen.

Fundraising-Echo: Was meinen Sie, was ist nötig, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen?

Jirka Wirth: Ehrlichkeit und Transparenz, was mit den eingeworbenen Mitteln passiert. Konkrete Berichte über die Hilfsmaßnahmen vor Ort, verbunden mit Erfolgsgeschichten. Und das über gezielte und direkte Spenderkommunikation, aber natürlich auch über breite Öffentlichkeitsarbeit. Die Menschen wollen wissen, welchen Unterschied ihre Spende macht und nicht einfach nur ein großes Finanzierungsloch stopfen.

 

Jirka Wirth ist Diplom-Betriebswirt und schloss im Jahr 2005 seine Ausbildung zum Fundraising-Manager bei der Fundraising Akademie ab. Seit 2010 arbeitet er bei Ärzte ohne Grenzen, wo er im Jahr 2013 die Leitung im Bereich Fundraising übernahm.

 

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