Qualifizierung im Fundraising

Von Dr. Thomas Kreuzer

Dr. Thomas KreuzerKeiner hat die dynamische Entwicklung im Bereich der beruflichen Qualifizierung im Fundraising so intensiv mitverfolgt wie Dr. Thomas Kreuzer, Geschäftsführer der Fundraising Akademie in Frankfurt. © Fundraising AkademieQualifizierung wie auch die Qualifizierungsmöglichkeiten im Fundraising haben sich in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt. Gab es noch bis zur Jahrtausendwende nahezu keine Möglichkeiten, sich umfassender im Fundraising fort- und weiterzubilden, haben sich inzwischen die Angebote pluralisiert. Dies trifft zugleich auf die Nachfrage zu, da sich der Bedarf an Qualifizierung und auch qualifizierter Begleitung in den vergangenen Jahren stark ausdifferenziert hat. Während in den Anfängen der Fundraising-Qualifizierungen ab Ende der 1990er Jahre die Referenz-Disziplinen entweder das Marketing oder die Öffentlichkeitsarbeit waren, kann man spätestens ab 2005 vom Fundraising als einer eigenständigen Disziplin sprechen.

Dies spiegelt sich in mehreren Etappenschritten wider, die für die Branche prägend waren: die Neubearbeitung des Handbuches Fundraising aus dem Jahr 2006, in dem das Fundraising zum ersten Mal als bezogenes, zugleich aber auch unabhängiges Fach sichtbar wurde; die Entwicklung eines eigenen Qualitätsmanagement-Modells „Total Quality Excellence“ in den Jahren ab 2004, welches das Fundraising in seiner interdisziplinären Ausrichtung fundierte; und schließlich das Zertifizierungsmodell der European Fundraising Association (2006 ff.), das zum ersten Mal Inhalte und Kompetenzen von Fundraising für den europäischen Kontext festgeschrieben hat. Mit diesen drei Schritten wurde das Fundraising in Deutschland als eigenständige Disziplin endgültig begründet. In den folgenden Jahren bis heute ging und geht es verstärkt darum, die interdisziplinären Aspekte des Fundraisings in Deutschland in den Blick zu nehmen und weiter auszuarbeiten.

Möglichkeiten der Fundraising-Qualifizierung

Von Anfang an gab es unterschiedliche Varianten, sich im Fundraising fort- und weiterzubilden. Inzwischen sind die Optionen vielfältig geworden; die wichtigsten Ansätze sollen im Folgenden dargestellt werden.

Training on the Job

Eine noch immer übliche Spielart der Qualifizierung ist die der alltäglichen beruflichen Professionalisierung. Dies geschieht durch Einarbeitung durch Kolleginnen und Kollegen; oder immer wieder auch durch den „Sprung ins kalte Wasser“ aufgrund der Beauftragung, das Fundraising für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld aufzubauen. Mitarbeiterinnen mit Berufserfahrungen aus den Bereichen Marketing, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und PR fällt dieser Einstieg häufig leichter als Einsteigern und Mitarbeitern, die sich umorientieren.

Dennoch wird nach unserer Auffassung eine einfache Wissensadaption aus den Bereichen Werbung und Marketing immer schwieriger, weil das Fundraising sich selbst mit hoher Geschwindigkeit und hohen professionellen Standards entwickelt hat und weiter entwickelt. Für diejenigen, die in das Fundraising ohne Vorwissen einsteigen, sind mindestens regionale und überregionale Foren und Kongresse als vorläufige Grundlegung anzuraten; besser aber noch eine erste Begleitung im neuen Arbeitsfeld in Form von Coaching oder durch kollegiale Beratung.

Kurse

In den vergangenen Jahren haben sich die Kursangebote im Fundraising vervielfältigt, sowohl was Hochschulen und Universitäten angeht als auch Angebote von privaten Dienstleistern. Häufig sind es Grundlagenseminare, seltener Kurse zu spezifischen Themen. Diese Kursformate sind dann anzuraten, wenn die künftige Berufsperspektive sich nicht hauptsächlich auf das Fundraising beziehen soll oder die Mitarbeiter sich ein (erstes) Überblickswissen verschaffen wollen. In jedem Fall sollte geprüft werden, über welche Erfahrungen die Dozentinnen und Dozenten im operativen Fundraising verfügen, weil im Fortbildungsmarkt gegenwärtig die Berater-Perspektive dominiert.

Zudem sollten die zuvor ausgeführten Frameworks einen angemessenen Raum im Curriculum einnehmen. Vielleicht am wichtigsten ist die Befähigung im Kurs, eigene angeleitete Erfahrungen in der operativen Umsetzung machen zu können. Kurzformatige Kurse sind ein gutes Mittel, um sich innerhalb kurzer Zeit einen Einblick in ein neues Arbeitsfeld zu verschaffen.

Zugleich kann man nicht davon ausgehen, dass sich in dieser kurzen Fortbildungszeit Institutionen bewegen oder gar verändern. Dem motivierenden Impuls des Kurses folgt dann häufig im Alltag das harte Bohren dicker Bretter. Deshalb ist es bei dieser Art von Kurs-Varianten zu empfehlen, Follow-ups in den Blick zu nehmen, die die tägliche Arbeit in Form von Coachings oder Ähnlichem begleiten.

Studiengänge

Das Angebot an Studiengängen ist im deutschsprachigen Raum noch immer überschaubar. Gegenwärtig liegt ein Masterstudiengang „Philanthropie und Fundraising-Management“ der Hochschule Ludwigshafen in Kooperation mit der Fundraising Akademie zur Akkreditierung vor. In allen umfangreicheren Qualifizierungsmaßnahmen werden Aspekte der institutionellen Voraussetzungen mit den fachlichen und personalen Kompetenzen verschränkt.

Dies hat den Vorteil, dass in dieser Weise berufsbegleitend ausgelegte Studiengänge das organisatorische Setting, in welches das Fundraising eingebunden ist, in Bewegung kommt. Pointiert formuliert: Aus der Erfahrung lässt sich konstatieren, dass Fundraising-Studiengänge Personen und Institutionen verändern. Unterstützend hierbei ist freilich zudem das professionelle Netzwerk, das über die Bildungsanbieter vorhanden ist und die Laufbahnplanung von Neu- oder Quereinsteigern mit hoher Geschwindigkeit fördert.

In allen Studiengängen werden neben den fachlichen Kompetenzen Aspekte des Change Managements berücksichtigt; ebenso ein erstes Coaching und die Berücksichtigung von Soft Skills. Die Abschlüsse der aktuellen Anbieter gelten häufig als Türöffner für berufliche Perspektiven wie auch für die Karriereplanung insgesamt. Häufig arbeiten die Bildungsanbieter mit besonders erfahrenen Kursleitern, die den individuellen Lernprozess über Feedback-Systeme und Beratungen befördern.

Zu nennen ist zudem das enzyklopädische Format der Curricula, in dem während der Zeit des Studiengangs solides Fachwissen und solide Fachkompetenz angeeignet werden. Dies befähigt dann häufig für vielfältige Einsatzmöglichkeiten in den Fundraising-Abteilungen. Spezifische Hausarbeiten, Prüfungen und eine Abschlussarbeit (bzw. Master-Thesis) runden das Kompetenzprofil ab.

Inhouse-Seminare

Manche Organisationen entscheiden sich dafür, Fortbildungen im Team durchzuführen, um die Qualifizierung von Anfang an mit der strategischen Ausrichtung zu verbinden. Dies können Grundlagenkurse sein, die für die Mitarbeiter angeboten werden oder auch Workshops zu bestimmten Themen.

Der Vorteil von Inhouse-Seminaren ist die Verknüpfung der Strategie mit einer Form des Teambuildings, so dass man nicht nur die „inhaltliche Kraft“ in der Organisation präsent hat, sondern auch die Akteure mit ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten zueinander finden, die mit der Umsetzung betraut sind. Der Nachteil von Inhouse-Seminaren kann darin gesehen werden, dass sich das notwendige Netzwerk nicht in dem Maße entwickeln kann. Inhouse-Seminare sind in jedem Fall für dezentral strukturierte Einrichtungen empfehlenswert.

Coaching

Coaching würde man im engeren Sinne nicht unter Qualifizierung subsumieren, ist aber ein Prozess, der zu Reflexion, Kompetenz und Handlungsfähigkeit führt. In den letzten Jahren zugenommen hat die Nachfrage nach Coaching-Angeboten. Diese sind als Begleitung zum Start bei der Implementierung des Fundraisings empfehlenswert, als Impuls beim Auftakt von Prozessen oder wenn diese ins Stocken geraten (sind), als strategische Unterstützung sowie als Begleitung der Qualifizierung selbst.

Auch wenn beide Aspekte immer ineinander verwoben sind, kann man sachlich trennen zwischen Coachings, die sich auf das Aufgabenfeld beziehen und häufig vom Arbeitgeber beauftragt und finanziert werden und Coachings, die als Begleitung und Befähigung der Akteure ausgelegt sind; letztere werden dann häufig auch privat finanziert. Gerade in allen Veränderungs- und Interventionsprozessen ist es ratsam, auf externe Beratung zurückzugreifen, weil der externe Blick es zumeist ermöglicht, Personen und Strukturen in Bewegung zu bringen. In anspruchsvolleren Bildungsangeboten sind Coaching-Elemente in der Regel bereits integriert. In jedem Fall sollten Möglichkeiten des Coachings geprüft werden; erste Orientierung können ggf. auch Formen der kollegialen Beratung leisten.

 

Inhaltliche Ausrichtung der Curricula

In Anlehnung an das EFA-Certificate, das auf die Zertifizierung von Bildungseinrichtungen ausgelegt ist, können Kompetenzbereiche identifiziert werden, von denen dann Themen und Inhalte von Fundraising-Curricula abgeleitet werden können:

Kompetenzbereich I: Kommunikationsinstrumente des Fundraisings beherrschen und anwenden

Qualifizierungsmaßnahmen im Fundraising sollten die Fähigkeit befördern,

  • den Bedarf des Fundraisings in der Organisation zu ermitteln,
  • Potenziale des Fundraisings für die Organisation zu benennen,
  • eine Wettbewerbsanalyse inklusive einer Marktpositionierung für die Organisation durchzuführen
  • sowie ein Fundraising-Projekt zu identifizieren, zu planen sowie dies nach innen und außen zu kommunizieren.

Kompetenzbereich II: Voraussetzungen für erfolgreiches Fundraising schaffen

Qualifizierungsmaßnahmen im Fundraising sollten zudem weitere Kompetenzen ausbilden:

  • die Fähigkeit zu einer angemessenen und umfassenden Recherche und Analyse für die künftige Fundraising-Strategie,
  • die Fähigkeit, die Organisation zum Fundraising zu befähigen,
  • das nachweisbare Wissen über die einzusetzenden und notwendigen Instrumente für das Fundraising sowie
  • gegebenenfalls das Benennen von angemessenen Kriterien für die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern.

Kompetenzbereich III: Fundraising-Strategie entwickeln und umsetzen

Folgende Fähigkeiten sollten in einer Qualifizierungsmaßnahme zudem Berücksichtigung finden:

  • die Kompetenz zur Entwicklung einer geeigneten Fundraising-Strategie für die Organisation und ihre Arbeitsfelder,
  • die Fähigkeit zur konsequenten Umsetzung der Fundraising-Strategie,
  • die Entwicklung eines Maßnahmenplans sowie
  •  die Fähigkeit des Fundraising-Controllings im Kontext der gesamten Nonprofit-Organisation.

Kompetenzbereich IV: Veränderungsprozesse und Organisationsentwicklung erfolgreich mitgestalten

Im Rahmen der Qualifizierung sollte zudem Wert auf die Fähigkeit gelegt werden, sich selbst, andere und die Fundraising-Geschäfte entsprechend den Vorgaben der Organisation führen und weiterentwickeln zu können. Dies hängt konstitutiv mit einer Reflexion und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zusammen.

Aktuell geht die Weiterentwicklung von Fundraising-Curricula darum, das Fundraising zu seinen Nachbarschaftsfeldern hin zu erweitern und konsequent interdisziplinär auszurichten. Aus diesen erweiterten Kompetenzzielen ergeben sich folgende sechs Themenfelder für ein anspruchsvolles Curriculum der Fundraising-Theorie und -Praxis:

  • Fundraising und Sozialmarketing
  • Philanthropie und Ethik
  • Corporate Social Responsibility
  • Grundlagen des Stiftungsmanagements
  • Projektentwicklung und Change Management
  • Forschung und Vertiefung

Perspektiven und Handlungsoptionen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Fundraising im deutschsprachigen Raum noch immer stark von der Betriebswirtschaft geprägt. Dies verwundert, weil im angelsächsischen und frankophonen Sprachraum längst vielfältige Diskurse gerade in den Wissenschaften vom Menschen zu Gabe und Reziprozität geführt werden; die Debattenstränge und Publikationen sind nahezu unüberschaubar. Um eine echte interdisziplinäre Rezeption der Fundraising-Theorie zu erreichen, steht es nun an, Anschluss zu finden an die vielfältigen Debatten in den benachbarten Wissenschaften.

Naheliegende Themenbereiche sind natürlich Marketing, Marktforschung, Controlling sowie Organisations- und Systemtheorie. Gegenwärtig sind die ersten Verknüpfungen zur Reichtumsforschung zu beobachten, aber auch zur Politikwissenschaft, was Selbstverständnis, Struktur und Finanzierung des Dritten Sektors angeht; zudem Fragen nach Governance und Kybernetik.

Das größte Desiderat im deutschsprachigen Raum liegt darin, Anschluss zu finden an Diskussionszusammenhänge zur Gabetheorie und Reziprozität; inzwischen ist hier neben philosophischen und kulturanthropologischen Publikationen auch auf einschlägige historische Arbeiten zu verweisen. Diese Rezeption könnte dann auch zu einer weiteren Selbstständigkeit des Fundraisings als eigener Disziplin führen, indem nicht nur Sprachspiele aus anderen Wissenschaften trivial adaptiert werden, sondern eigene geprägt, die dem jeweiligen Kontext entsprechen und angemessen sind.

 

Der Autor: Dr. Thomas Kreuzer ist seit 1999 Geschäftsführer der Fundraising Akademie in Frankfurt am Main. Er studierte Evangelische Theologie, Gesellschaftswissenschaften und Philosophie in Frankfurt am Main, Rom und Heidelberg. Dr. Kreuzer ist Autor und Herausgeber mehrerer Publikationen und Referent auf zahlreichen Tagungen und Kongressen zum Thema Fundraising.
www.fundraisingakademie.de

 

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