SPD-Fundraiser: „Spenden haben bei uns eine andere Dimension“

Von Claudia Wohlert

Andreas SchlotmannSPD-Fundraiser Andreas Schlotmann meint, dass eine Partei misstrauischer beobachtet wird als „klassische“ Spendenorganisationen. © Andreas SchlotmannIm Fundraising dreht sich alles um Spenden. Ob es die Zeit ist, eine Sachspende oder die finanzielle Unterstützung, immer ist es eine freiwillige Zuwendung ohne Anspruch auf Gegenleistung. Empfänger sind unter anderem Stiftungen, gemeinnützige Vereine, Glaubensgemeinschaften oder politische Parteien. Allen gleich ist der Wunsch, etwas zu bewegen, Ziele zu erreichen, dem Gemeinwohl zu dienen.

Bei den genannten Empfängern von Spenden sticht einer heraus: die politische Partei. Kann man in diesem Fall die freiwillige Zuwendung wirklich als Leistung ohne Gegenleistung betrachten? Oder vermutet man da nicht immer gleich eine Beeinflussung? Dieses und nächstes Jahr stehen sowohl mehrere Kommunal- und Landtagswahlen sowie die Wahl zum Bundestag an. Alle Parteien werden Spenden generieren. Ob diese Spenden wirklich Einfluss auf Parteiprogramme oder später sogar Gesetze haben, will Claudia Wohlert im Gespräch mit Andreas Schlotmann, Fundraiser der SPD in Berlin, klären.

Fundraising-Echo: Herr Schlotmann, wie kommt man dazu, Fundraiser bei einer Partei zu werden?

Andreas Schlotmann: Ich bin es geworden, lange bevor es eine Ausbildung dazu gab. Ende der Neunziger war ich schon langjähriges Parteimitglied der SPD. Während des Studiums hatte ich mehrere Praktika in der Parteizentrale absolviert und der glückliche Zufall spielte bei meiner Berufswahl auch eine Rolle. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es war nicht mein Ziel, Fundraiser zu werden, es hat sich ergeben. 

Fundraising-Echo: Welche Eigenschaften muss ein Fundraiser einer Partei mitbringen?

Andreas Schlotmann: Die wesentliche scheint mir, nicht nur Fundraiser zu sein. Wir bewegen uns in einem sensibleren Umfeld, als das andere Spendenorganisationen tun. Außerdem wird die Partei nicht als Spendenorganisation wahrgenommen. In der Gesamtkommunikation spielen wir nur eine untergeordnete Rolle. Das ist ein ganz großer Unterschied.

Betrachte ich die Kommunikation anderer Spendenorganisationen, so wird sie immer von Spendenbitten begleitet. Häufig sind die Spendenbitten das zentrale Kommunikationselement und ich als Spender erhalte Informationen dazu. Das ist bei der SPD nicht so. Die Gesamtkommunikation der Partei findet in der Regel ohne Spendenbitte statt. Wir haben nur sehr gezielte Instrumente, die mit Spendenbitten verbunden sind. Meistens sind es konkrete Bitten des Schatzmeisters, die in Briefform kommen. Da, wo Spendenwerbung passiert, müssen wir die Gesamtkommunikation, müssen wir die politische Situation, müssen wir die politische Zielsetzung der Partei immer mitnehmen. Als Fundraiser einer Partei haben Sie die gesamtpolitische Situation und die dazugehörige Kommunikation mit im Blick. Das ist wichtig, da können Sie keine Alleingänge in irgendeiner Form machen.

Fundraising-Echo: Wie muss ich mir Ihre tägliche Arbeit vorstellen? Sind die einzelnen Bereiche des Fundraisings auf unterschiedliche Personen verteilt?

Andreas Schlotmann: Unser Fundraising unterteilt sich in die Bereiche Sponsoring und Spendenwerbung, in denen jeweils eine Kollegin beziehungsweise ein Kollege arbeitet. Darüber hinaus beraten wir in Fragen zu Mitglieds- und Sonderbeiträgen der Mandatsträger sowie zum Thema Spendenrecht und allen generellen Fragen zu Spenden.

Bei uns sind die Spenden zum großen Teil nicht nur einkommenssteuerrechtlich, sondern auch parteienrechtlich geregelt. Dazu existiert im Parteiengesetz ein eigener Paragraph. Spenden haben bei uns auch deshalb eine ganz besondere Dimension, da sie ein Kriterium für die staatliche Alimentierung der politischen Parteien sind.

Aus diesem Grund ist der Bereich hochsensibel. Wenn über Spenden und Parteien geredet wird, ist die Konnotation selten positiv. Das heißt, wenn man darüber etwas hört, ist es meist nichts Gutes. Deshalb ist die Beratung innerhalb der Partei, wie gehe ich mit Spenden um, welche Spenden darf ich nehmen, welche nicht, sehr wichtig. Der beratende Bereich bindet häufig mehr von meiner Arbeitszeit als die konkrete Spendenwerbung. Außerdem gibt es mit dem Präsidenten des Deutschen Bundestags beziehungsweise einem seiner Referate eine spezielle „Aufsichtsbehörde“, die für Parteienfinanzen zuständig ist.

Fundraising-Echo: Nehmen Sie Agenturen für Ihre Arbeit in Anspruch?

Andreas Schlotmann: Für die Spendenwerbung im engeren Sinne nicht, höchstens für die Produktion. In den ersten zehn Jahren, als in den Neunzigern die Spendenwerbung für die Partei aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen wichtiger wurde, haben wir Beratung in Anspruch genommen.

Fundraising-Echo: Wer schreibt bei Ihnen ein Spendenmailing?

Andreas Schlotmann: Der Grundentwurf kommt aus dem Spendenreferat. Anschließend geht der Brief durch mehrere Büros. Für die politischen Inhalte müssen verschiedene Zustimmungen eingeholt werden. Das ist natürlich ein nicht immer unkomplizierter Vorgang.

Fundraising-Echo: Welche Fundraising-Tools sind besonders erfolgreich?

Fotolia #102505217Parteispenden sind ein hochsensibles Thema. © FotoliaAndreas Schlotmann: Das Mailing. Mit keinem anderen Instrument können wir so viele Spenden generieren. Es gibt in der Regel ein großes Spendenmailing des Schatzmeisters Ende November, in dem die Mitglieder um eine Spende gebeten werden. Es ist mit Abstand unser erfolgreichstes Instrument.

Zusätzlich gab es Telefonaktionen, die allerdings sehr aufwendig waren. Grundsätzlich fragen wir uns dabei immer: Nehmen wir Menschen, die eine ordentliche Gesprächsausbildung haben, um Telefonate zu führen, und briefen sie inhaltlich? Oder nehmen wir Menschen, die inhaltlich sprachfähig sind, die Genossen sind, und trainieren die auf Telefonverhalten. Der zweite ist der für uns angemessenere Weg. Auch in diesem Punkt unterscheiden wir uns von herkömmlichen Spendenorganisationen. Wenn wir Genossen anrufen, dann nutzen die Menschen die Möglichkeit, um das anzusprechen, was sie schon immer mal ansprechen wollten. Es entstehen Gespräche, die man nicht kurzfristig beenden kann. Wir haben das Tool nicht nur für die Spendenwerbung, sondern gelegentlich auch für die Wahlwerbung eingesetzt. Generell sind Telefonkampagnen auch ein erfolgreiches Spendeninstrument, wenn die Zielgruppe stimmt.

Fundraising-Echo: Wenn Sie eine Spendenkampagne vor Landtags- oder Bundestagswahlen durchführen. Wer plant die?

Andreas Schlotmann: Das ist zum einen eine technische Frage. Im Spendenreferat entscheiden wir, wer wann und in welcher Form angeschrieben wird. Der Schatzmeister genehmigt die Aktion dann als Teil der Gesamtkommunikation. Unser Augenmerk liegt immer darauf, was in der Gesamtkommunikation der Partei passiert, damit wir nicht mit etwas kollidieren.

Fundraising-Echo: In gemeinnützigen Organisationen werden ab bestimmten Geldbeträgen oft die Geschäftsführer mit dem Großspender zusammengebracht, um ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. Trifft das auch auf Parteien zu?

Andreas Schlotmann: Eine Partei wird misstrauischer beobachtet als die „klassischen“ Spendenorganisationen. Deshalb ist es für uns wichtig, keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist der Kontakt mit Spendern, sofern sie sich nicht von sich aus an den Vorsitzenden wenden, immer Sache des Schatzmeisters. Wir ziehen da eine klare Linie.

Ein Beispiel: Ein großes Unternehmen will der Partei eine Spende zukommen lassen und schreibt aus diesem Grund an den Vorsitzenden. Dieser Vorgang wird immer an den Schatzmeister weitergegeben. Er ist fachlich dafür zuständig. Bei ihm liegt die Bearbeitung und in der Regel auch die Bedankung. Wir wollen nicht den Eindruck entstehen lassen, dass damit irgendeine politische Implikation verbunden ist.

Fundraising-Echo: Fühlt sich die Partei unter Druck gesetzt, wenn sie Großspenden von Unternehmen annimmt?

Andreas Schlotmann: Auf der Internetseite des Bundestages kann man zeitnah einsehen, welche Großspenden über 50.000 Euro die Parteien erhalten. Die größte Einzelspende, die die SPD in letzter Zeit erhalten hat, kam von einem Autobauer und betrug 100.000 Euro. Das ist natürlich viel Geld, aber eine Erwartung des Spenders war damit nicht verbunden. Der Schatzmeister hätte die Spende ansonsten auch abgelehnt.

Fundraising-Echo: Fundraiser einer Partei zu sein, ist etwas sehr Spezielles. Würden Sie gern einmal in einer „normalen“ Spendenorganisation arbeiten?

Andreas Schlotmann: Ich denke ab und zu, dass es vielleicht entspannter ist. Auf jeden Fall wäre es interessant, sich den Alltag anzusehen, um die Unterschiede genauer kennenzulernen. Und um dabei herzufinden, ob meine Vorstellung wirklich zutrifft. Grundsätzlich gibt es einen Unterschied zwischen einer Partei und anderen Organisationen, die Spenden sammeln: Wenn Sie einen Brief von Brot für die Welt, der Welthungerhilfe oder Ärzte ohne Grenzen bekommen, dann mögen Sie spenden oder nicht. Aber Sie stellen das Recht dieser Organisationen, um Spenden zu bitten, nie in Frage. Das sieht bei einer Partei gelegentlich anders aus. Sie kämpfen immer um Akzeptanz. Das ist ein Unterschied, der es aus meiner Sicht nicht unbedingt leichter macht.  

 

Andreas Schlotmann hat in Münster und Bonn Politikwissenschaften, Geschichte und Philosophie studiert. Er ist zuständig im Bereich Finanzen des SPD-Parteivorstandes für Spenden, Mitglieds- und Sonderbeiträge. In der Fachgruppe Politik und Zivilgesellschaft des Deutschen Fundraising Verbandes ist er Co-Sprecher.
E-Mail: andreas.schlotmann@spd.de

 

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