Tabuthemen verantwortungsvoll und erfolgreich kommunizieren

Von Barbara Brecht-Hadraschek

Barbara Brecht-HadraschekBarbara Brecht-HadraschekAufmerksamkeit zu erlangen – und damit auch finanzielles Engagement zu generieren – ist grundsätzlich eine große Aufgabe, doch für manche Organisationen gestaltet sich dies noch schwieriger. Denn viele Vereine und Verbände engagieren sich in Themenfeldern, die emotional negativ aufgeladen sind – oder Tabuthemen der Gesellschaft betreffen. Hier heißt es, sensible, aber auch ungewöhnliche Wege zu entdecken, um auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen und zu zeigen, wie wichtig dieses Engagement ist.

Der Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V., kurz VEID, steht vor der großen Herausforderung für das Thema „Tod eines Kindes“ bzw. für die trauernden Eltern und Geschwister zu interessieren. Ein Thema, bei dem fast jeder lieber weghört und wegsieht. Die Berührungsängste sind groß. Während das Thema „Tod“ heute schon offener diskutiert wird, ist dem Thema „Tod von Kindern“ dieser Tabubruch noch nicht gelungen.

Siris Reise: Ein Musik- und Tanztheater gegen Berührungsängste
Mit „Siris Reise“, einem Musik- und Tanztheaterprojekt von Jugendlichen über Abschied, Trauer, Tod und Hoffnung wurde ein Weg gefunden, Berührungsängste mit dem Thema „Tod von Kindern“ abzubauen und die Materie in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Zusammen mit zwei kirchlichen Jugendchören, professionellen Musikern und Choreographen entwickelte Karin Grabenhorst von VEID ein Musiktheater, das die Geschichte einer Kinderseele nach dem Tod thematisiert. „Durch die sensibel, in schönen Bildern erzählte Geschichte von der kleinen Kinderseele auf der Suche nach der Ewigkeit wird eine Hemmschwelle abgebaut, sich mit der Thematik zu beschäftigen, die häufig betroffene Eltern und Geschwister von ihren Mitmenschen trennt,“ beschreibt Karin Grabenhorst die Wirkung des Stücks.

Siris Reise

Siris Reise

 

Die Uraufführung fand am 21. Mai 2009 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen statt. Mittlerweile wurde Siris Reise zehnmal aufgeführt und zahlreiche Liederabende und Lesungen gehalten. Mehr als 2.400 Menschen haben das Stück bis heute live gesehen, eine DVD wurde produziert – und wird über die Website veid.de und auf Veranstaltungen vertrieben. Auch ein Buch ist aufgrund der großen Nachfrage nach dem Thema in Arbeit. Das Interesse ist groß: Schulen, Kirchen, Hospize fragen an, ob man das Stück bei ihnen aufführen könne.

 

VEID unterstützt und organisiert auch andere kulturelle Projekte und Veranstaltungen – Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, die sich in diesem Themenfeld bewegen. Denn über die Kunst lassen sich über die Ebene der Betroffenheit hinaus Menschen ansprechen, die sonst schwer zu erreichen wären. Das Musikprojekt Siris Reise war dabei besonders erfolgreich. Viele der Lieder sind ins Englische und zahlreiche andere Sprachen übersetzt worden. Es gibt enge Verbindungen zu dem internationalen Netzwerk The Compassionate Friends - Supporting Family After a Child Dies. Die Medien berichteten über jede der Musicalaufführungen – und sensibilisierten gleichzeitig für das Thema und die Arbeit von VEID. Auch die Spendenbereitschaft – gerade von den Veranstaltungsbesuchern – nahm deutlich zu.

 

Siris Reise – Beim Ocean

Siris Reise – Beim Ocean

 

Fachlicher Austausch und Vernetzung über ein Expertengremium
Ein weiteres, wichtiges Ziel des Bundesverbandes als Dachorganisation ist es, Experten aus verschiedenen Fachgebieten für die Arbeit des Verbandes zu interessieren. Einerseits geht es dabei um eine notwendige Professionalisierung der Arbeit durch Wissenstransfer, andererseits auch um eine Erweiterung des Netzwerks in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. 2009 wurden erste Mitglieder für einen Beirat gewonnen. Wichtig war dem Verband ein fachlich breites Spektrum: Namhafte Wissenschaftler aus den Bereichen Psychologie, Theologie, Recht, Philosophie, Pädagogik, Kulturwissenschaft, aber auch Praktiker wie Bestatter und Trauerbegleiter sind mittlerweile in einem 12-köpfigen Beirat vertreten.

 

„Die Beiratsmitglieder bringen sich unter anderem auf unseren jährlichen Fachtagungen über Vorträge und Seminare mit ihren Kenntnissen und ihrer Profession ein“, erzählt Stephan Hadraschek, der als Beiratsbeauftragter Ansprechpartner zwischen den Beiratsmitgliedern und der Arbeit des Vorstandes ist.

 

Multiplikatoren gewinnen
Die Vorstandsvorsitzende Petra Hohn hält den Beirat mittlerweile für unverzichtbar. „In zahlreichen Publikationen unserer Beiratsmitglieder wird VEID thematisiert, auch auf Vorträgen und Konferenzen findet unser Verband über die Beiratsmitglieder Erwähnung.“ Diese haben damit eine wichtige Aufgabe als Multiplikator für das schwierige Thema und die engagierte Arbeit des Verbandes. Gleichzeitig öffnen sich Türen auf ganz andere Ebenen – sei es Wissenschaft, Politik oder Kultur.

 

Siris Reise – Der Gingko-Baum

Siris Reise – Der Gingko-Baum

 

„Letztendlich hat der Beirat mit seinen ausgewiesenen Experten auch die Reputation des Verbandes erhöht, eine wichtige Grundlage für das Fundraising“, erklärt Stephan Hadraschek. Denn der Verband signalisiert mit diesem Expertengremium auch: Hier professionalisiert sich ein Selbsthilfeverband. Hochkarätige Leute unterstützen diese Sache. Eine wichtige Voraussetzung, wenn es um die Suche nach Sponsoren geht.

 

Über VEID
Der Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. VEID ist ein Dachverband für ein bundesweites Netzwerk von selbstständigen Regionalstellen, Vereinen und Selbsthilfegruppen sowie Institutionen im Themenfeld „Sterben/Tod/Trauer“. Gut 500 Gruppen verwaister Eltern – und damit rund 55.000 Betroffene – im ganzen Bundesgebiet werden dabei inhaltlich, finanziell und strukturell unterstützt. www.veid.de

 

 

 

Über die Autorin: Barbara Brecht-Hadraschek ist Expertin für Unternehmenskommunikation. Sie entwickelt Kommunikationsstrategien für soziale Institutionen und gibt Seminare und Workshops zu Themen wie Online-PR und Social Media. www.contentundco.de

 

 

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